So kriminell sind Münchens Jugendliche: 3849 Anklagen
MÜNCHEN -Jugendliche, die klauen. Die prügeln. Die Drogen nehmen. Sie sind sozusagen die Kundschaft der Münchner Jugendgerichtshilfe. Alle 14- bis 21-Jährigen, die sich ein Ermittlungs- und Strafverfahren einhandeln, werden von ihr betreut.
Über mangelnde Auslastung kann sich die Jugendgerichtshilfe wirklich nicht beklagen. Die Zahl der Fälle ist stark gestiegen. Allein im vorigen Jahr waren es 3849 Anklagen, bei denen die Mitarbeiter des Stadtjugendamts straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende vor Gericht begleiteten – bis zum Ende der Verhandlung. Fast 15 Prozent mehr als noch im Jahr davor. Ein satter Anstieg.
Erst kürzlich musste das Personal aufgestockt worden: um fünf Stellen auf jetzt 24 Mitarbeiter. Weil sonst der Arbeitsaufwand nicht mehr zu bewältigen gewesen wäre. Auch, weil die Pädagogen inzwischen schneller Kontakt zu den jugendlichen Straftätern aufnehmen.
„Bis zu einer Anklage dauert es im Schnitt drei bis vier Monate”, berichtet Judith Krauss von der Jugendgerichtshilfe. „Die Kinder und Jugendlichen sollen aber so schnell wie möglich aus der Delikt-Spirale geholt werden.” Deshalb nehmen die Sozialarbeiter normalerweise innerhalb der ersten vier Wochen nach der Tat Kontakt mit ihnen auf.
Und was haben die Jugendlichen auf dem Kerbholz? Darüber gibt die aktuelle Statistik der Stadt Auskunft (siehe Tabelle unten). Sie zeigt: Auch die Zahl der vor Gericht verhandelten Gewaltdelikte ist deutlich gestiegen – um rund elf Prozent auf insgesamt 894. Dabei mussten sich die Täter meistens wegen Körperverletzung verantworten. Der Großteil der Jugendlichen landete 2011 aber nicht wegen einer Gewalttat auf der Anklagebank. Sondern weil ihm Diebstahl zur Last gelegt wurde (28 Prozent).
Und noch etwas verrät die Statistik: In 77 Prozent aller Fälle wurden Burschen zur Rechenschaft gezogen. Nur 23 Prozent der angeklagten Delikte gingen auf das Konto von Mädchen oder jungen Frauen.
Woran liegt die starke Steigerung bei den Fallzahlen insgesamt? Krauss meint: „Das hat mit einem veränderten Anzeigeverhalten zu tun. Immer weniger Dinge werden außergerichtlich gehändelt.” Auch viele Lappalien würden gleich angezeigt.
Gleichzeitig gibt es auch eine Reihe an Intensiv-Straftätern, die immer wieder auffällig werden. Derzeit stehen 95 Jugendliche auf der so genannten Proper-Liste. Um sie kümmert sich ab April ein eigenes, dreiköpfiges Team bei der Jugendgerichtshilfe.
Zum Spektrum an Strafen, das gegen jüngere Delinquenten verhängt werden kann, gehören auch „erzieherische Maßnahmen”. Zum Beispiel der so genannte „Täter-Opfer-Ausgleich” – dabei geht es um ein geregeltes Treffen zwischen beiden, bei dem mindestens eine Entschuldigung fallen sollte.
Ein Richter kann die Jugendlichen aber zum Beispiel auch zu Arbeitsstunden in einer sozialen Einrichtung verdonnern. Jugendamtschefin Maria Kurz-Adam sagt: „Das halte ich immer für sehr sinnvoll.” Das Ziel der Übung ist klar: Aus Nachwuchs-Kriminellen sollen wieder normale Heranwachsende werden. Ohne ellenlanges Strafregister.
Statistik und Jugendkriminalität – das ist übrigens ein strittiges Thema. „Die Datenlage in Deutschland ist desaströs”, sagt die Kriminologin Rita Steffes-enn. Die polizeiliche Kriminalstatistik würde nämlich nur Ermittlungen erfassen – und nicht, was dann vor Gericht dabei herauskommt. „Insofern ist die Statistik der Jugendgerichtshilfe das beste Zahlenmaterial, das wir zur Verfügung haben.”
- Themen:
- Polizei