So grausam folterten die Terroristen die Olympia-Geiseln

Die Witwen wollten eigentlich nie über diese grausamen Fotos sprechen. Jetzt, über 40 Jahre nach dem Attentat auf israelische Sportler bei Olympia 1972 in München, erzählen zwei Frauen, wie ihre Ehemänner von den Terroristen gefoltert wurden.
Michael Burner |
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Ankie Spitzer (r.) und Ilana Romano bei den Olympischen Spielen 2014 in London. Ihre Ehemänner kamen bei dem Attentat 1972 in München ums Leben.
dpa 3 Ankie Spitzer (r.) und Ilana Romano bei den Olympischen Spielen 2014 in London. Ihre Ehemänner kamen bei dem Attentat 1972 in München ums Leben.
Angehörige und Hinterbliebene sowie deutsche und israelische Vertreter gedenken der Opfer des Attentats von 1972.
dapd 3 Angehörige und Hinterbliebene sowie deutsche und israelische Vertreter gedenken der Opfer des Attentats von 1972.
Der Fechter Dan Alon hört die Schüsse der Terroristen – und kann fliehen, weil die Kidnapper nicht in sein Appartement eindringen.
AZ 3 Der Fechter Dan Alon hört die Schüsse der Terroristen – und kann fliehen, weil die Kidnapper nicht in sein Appartement eindringen.

Die Witwen wollten eigentlich nie über die grausamen Fotos sprechen. Jetzt, über 40 Jahre nach dem Attentat auf israelische Sportler bei Olympia 1972 in München, erzählen zwei Frauen, wie ihre Ehemänner von den Terroristen gefoltert wurden.

München - Es ist eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Olympias. Fünf Terroristen, ein Polizist und elf Israelis – getötet bei einer Geiselnahme und einer missglückten Befreiungsaktion während der Olympischen Spiele 1972 in München.

Im Morgengrauen des 05. September nehmen Terroristen der palästinensischen Untergrundorganisation "Schwarzer September" israelische Sportler und ihre Betreuer in deren Wohnung in der Connollystraße 31 als Geiseln. Nach 20 Stunden Geiselnahme und einer missglückten Befreiungsaktion am Militärflughafen in Fürstenfeldbruck sind alle elf Israelis tot.

Jetzt, über 40 Jahre nach den Geschehnissen in München, wurden bislang unveröffentlichte Details von der Geiselnahme im Olympiadorf bekannt. Zwei Frauen der bei dem Attentat ums Leben gekommenen Sportler haben jetzt mit der New York Times über Fotos gesprochen, über die sie eigentlich für immer schweigen wollten.

Ankie Spitzer, die Witwe des Fechttrainers André Spitzer, und Ilana Romano, die mit dem Gewichtheber Josef Romano verheiratet war, berichten, wie brutal die palästinensischen Angreifer ihre Opfer misshandelten. Zum ersten Mal gesehen haben sie die Fotos bereits 20 Jahre nach dem Attentat. Reden wollten – beziehungsweise konnten – die Frauen bisher nicht darüber. Zu grausam sind die Aufnahmen vom Tatort.

 

Am brutalsten gingen die Terroristen mit Romano um

 

Bereits im September 1992 seien sie von ihrem Anwalt in dessen Wohnung gerufen worden, so die Frauen. Bei seinem letzten Aufenthalt in München habe er neue Fotos vom Anschlag erhalten. Bevor er ihnen die Fotos zeigen könne, bestehe er darauf, dass ein Arzt anwesend sei. Die Witwen warfen einen Blick darauf. Was sie dort gesehen haben, darüber haben sie über zwei Jahrzehnte lang mit niemandem gesprochen.

Jetzt haben sich Ankie Spitzer und Ilana Romano doch dazu entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen. In ihrem Interview mit der New York Times schildern sie die Grausamkeit, mit der die Terroristen ihre Ehemänner gefoltert haben müssen. Laut Angaben der Zeitung ist auf den Fotos zu sehen, dass einige der Geiseln massiv geschlagen wurden. Gebrochene Knochen seien auf den Bildern zu erkennen.

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Am brutalsten jedoch gingen die Terroristen demnach mit Gewichtheber Romano um. Ihm seien von den Palästinensern die Geschlechtsteile abgeschnitten worden. Ob Romano dabei noch lebte oder schon tot war, ist nicht klar. „Was sie gemacht haben, ist, dass sie seine Genitalien durch die Unterwäsche abgeschnitten und ihn misshandelt haben“, sagte die Witwe gegenüber der New York Times.

 

Familien haben erst 20 Jahre nach Attentat von den Fotos erfahren

 

Ankie Spitzer beklagt, dass sie und die anderen angehörigen Familien erst 20 Jahre nach dem Attentat von diesen Grausamkeiten erfahren haben. Denn: Erst als sich Spitzer 1992 in einem TV-Interview darüber beklagte, dass sie von deutschen Behörden keine genauen Details zu dem Attentat bekomme, habe sich ein anonymer Anrufer bei ihr gemeldet. Er habe ihr im Anschluss mehrere Seiten aus den Ermittlungsakten geschickt. Daraufhin hat sie die deutschen Behörden bedrängt, ihr alle Unterlagen zu übergeben, zu der auch die Fotos gehörten.

Auf die Frage, warum sie gerade jetzt an die Öffentlichkeit gehe, sagte Romano am Mittwoch der israelischen Nachrichtenseite "ynet": "Ich habe verstanden, dass es keinen anderen Weg gibt. Ich muss die härteste Trumpfkarte herausholen - was ich über die Jahre immer vermieden habe. Das Ziel ist es, dass diese schreckliche Tragödie nicht vergessen wird, und Druck auf das olympische Komitee auszuüben, damit in Zukunft eine Schweigeminute (für die israelischen Sportler) eingehalten wird."

Ankie Spitzer (r.) und Ilana Romano bei den Olympischen Spielen 2012 in London.

 

Laut Angaben der New York Times habe man in der Redaktion beschlossen, die Fotos aus Pietäts-Gründen nicht zu veröffentlichen. Aus den jetzt bekannt gewordenen Dokumenten geht demnach auch hervor, dass die zu dem Zeitpunkt noch lebenden israelischen Sportler bei den Misshandlungen zusehen mussten.

Gedenkraum an Olympia-Attentat soll im Herbst 2016 fertig sein

Die beiden Witwen fordern nach wie vor eine lückenlose Aufarbeitung der Tragödie in der Connollystrasse. Nächstes Jahr soll es einen neuen Dokumentarfilm („Munich 1972 & Beyond“) zu dem Attentat und den Ereignissen danach geben. Auch bei den Olympischen Spielen in Brasilien soll der getöteten Israelis von 1972 gedacht werden.

 

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