Sitzhilfe soll für natürliche Hockhaltung beim Stuhlgang sorgen
München - Daniel Kövary hat 2017 das Buch "Darm mit Charme" gelesen, nachdem er selbst gesundheitliche Probleme in dieser Zone hatte. Da wurde ihm klar, dass Europäer auf der Toilette eine gesundheitlich bedenkliche Haltung einnehmen: die 90-Grad-Sitzposition, die eine Darmentleerung eigentlich erschwert. Also entwickelte Kövary kurzerhand ein eigenes Hocker-Modell, zusammen mit Designer Ralph Bremenkamp. Die Idee: Beine drauf, Naturhaltung einnehmen. Das Ergebnis ist seit einigen Monaten im Handel: "stuul".
AZ: Herr Bremenkamp, Herr Kövary, was bedeutet eigentlich stuul?
Daniel Kövary: Das spricht man "Stühl" aus, es kommt aus dem Altfriesischen. Es bedeutet bequemer Stuhl, Thron. Und ist natürlich ein Wortspiel.
Haben Sie das erfunden?
Ralph Bremenkamp: Nein, aber völlig neu designed. Die Erfindung gab es schon vor über drei Jahren. Sie hieß Squatty Potty.
Erst Hocker, jetzt "stuul": "Ein Produkt wird zum Lifestyle"
Warum haben Sie trotzdem etwas Ähnliches entwickelt?
Kövary: Ich hatte das Buch "Darm mit Charme" gelesen. Auf den ersten zehn Seiten ist beschrieben, welche gesundheitlichen Nebenwirkungen der 90-Grad-Winkel auf der Toilette hat. Die Vorteile der Hockhaltung auf dem WC klangen sehr plausibel. Da kaufte ich mir gleich einen einfachen Hocker, um beim Stuhlgang meine Beine anzuwinkeln und war damit sehr zufrieden. Aber dann kam meine Frau ins Spiel.
Ihre Frau?
Kövary: Sie ist Innenarchitektin und hat mir verboten, den Hocker ins Bad zu stellen. Der war ihr zu hässlich. Sie sagte: Bei aller Liebe. Das Ding muss raus.

Und dann wollten Sie etwas Schöneres erschaffen?
Kövary: Richtig. Ich kontaktierte bald Ralph. Wir hatten schnell Ideen: Material und Design mussten schön und passend sein.
Bremenkamp: Das Produkt musste auch zweiteilig sein, weg von dem einfachen, weißen Hocker.
Ist der Stuhlgang – und damit auch Ihr Produkt – ein Tabuthema?
Kövary: Ja. Aber das Tabu bricht langsam auf, stuul ist ein Nischenprodukt.
Bremenkamp: Aber das, was massenhaft verkauft wird, ist oft weiß und hässlich. Wir wollten das eben ändern. Yogamatten waren ja anfangs auch aus einfachem Gummi, ganz billig. Mittlerweile kann man sehr hochwertige Matten kaufen. Ein Produkt wurde zum Lifestyle. So ähnlich soll es auch mit stuul laufen.
Wie verkauft sich Ihr Produkt denn?
Kövary: In den USA haben wir bis jetzt die meisten Stückzahlen verkauft. Die Leute begegnen dort dem Thema viel offener als in Europa. Insgesamt konnten wir seit November 500 Stück verkaufen.
Mussten Sie Ralph Bremenkamp von dem Projekt überzeugen, hat er das Thema anfangs tabuisiert?
Kövary: Nein. Ralph sah sofort die Chance, etwas zu verändern. Er hatte gleich den Blick eines Designers auf das Thema.
Bremenkamp: Die Idee war sofort einleuchtend. Ich habe das Thema nicht tabuisiert, null.
Kövary: Wir hatten beide Darmprobleme in der Vergangenheit. Da waren die Voraussetzungen schon von Beginn an anders.
"stuul"-Erfinder: "Die Naturhaltung ist große Entlastung für den Darm"
Ich habe gehört, dass es mehr Darmbakterien als Gehirnzellen gibt.
Kövary: Das kann sein. Sie stehen jedenfalls in regelmäßigem Austausch. Verkürzt gesagt, können sie im Hirn wohl ihr Lieblingsessen bestellen. Ihre Rolle wird jedenfalls stark unterschätzt.
Bremenkamp: Es gibt übrigens einen Trend, dass Toiletten immer höher werden. Sehr kontraproduktiv für den menschlichen Körper. Da könnte unser stuul besonders hilfreich sein. Der Körper hat es halt so eingerichtet, dass der Darm im Sitzen und im Stehen nicht entleert wird. Nur in der Hockhaltung.
Kövary: Diese Naturhaltung ist eine große Entlastung für den Darm und vereinfacht die Angelegenheit.
Das Material von stuul sieht aus wie ein hochwertiges Armaturenbrett in einem fabrikneuen Auto.
Bremenkamp: Das wundert mich nicht. Es ist expandiertes Polypropylen. EPP.
Kövary: Zu 90 Prozent Luft. Zu 100 Prozent recycelbar. Unsere Kunden können uns irgendwann ihr altes Produkt zurückschicken und wir machen einen neuen stuul daraus.
Bremenkamp: Wahnsinnig leicht und stabil. Es verkratzt den Boden nicht, fühlt sich angenehm an, ist nie kalt. Das war uns sehr wichtig. Dieser Schaumstoff kann das alles. Er wird tatsächlich oft versteckt in Lkw-Stoßstangen oder Türverkleidungen. Zu Unrecht.
Münchner: "Leute kaufen stuul, wenn sie was Schönes im Bad möchten"
89 Euro, das ist ein vergleichsweise hoher Preis für 90 Prozent Luft.
Kövary: Das ist aber nur der erste Eindruck. Wir produzieren ausschließlich in Deutschland mit deutschen Zulieferern. Das war uns wichtig. So lässt sich der Preis besser erklären. Wir wollten uns nicht vom Ausland abhängig machen.
Wie sieht die Zielgruppe aus?
Kövary: Wir haben uns preislich am oberen Ende einsortiert. Wir denken, dass wir da auch hingehören. Die Leute kaufen stuul, wenn sie auch etwas Schönes im Badezimmer stehen haben wollen. BREMENKAMP: Wir wollen gar nicht mit Billigprodukten konkurrieren.
Soll stuul eigentlich multifunktional sein, kann man die beiden Teile auch als Hocker nutzen?
Kövary: Nein. Wir haben stuul extra für diesen einen Zweck gebaut. Die beiden Teile haben je eine Neigung von fünf Grad. Das ist ergonomisch, für den Fuß die ideale Position.
Wozu die Mulde?
Bremenkamp: Um die zusammengesteckten Hocker greifen zu können. So kann man sie zugleich auch gut auseinanderziehen. Ist ihre Ehefrau, die Innenarchitektin, jetzt eigentlich glücklich mit dem Designerstück?
Kövary: Absolut zufrieden. Sie nutzt stuul auch regelmäßig. Es ist zur Gewohnheit geworden und vereinfacht den Stuhlgang enorm.
Bremenkamp: Jeder kann davon profitieren. In jedem Alter.
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