Situation in München ohnehin angespannt: Schließung der Taxisklinik sorgt für Unruhe

Münchens größte Geburtsklinik an der Taxisstraße wird schließen. Alle Einrichtungen sollen ab 2025 ans Rotkreuzklinikum umziehen, kein Angestellter entlassen werden. Doch die Situation sorgt angesichts der ohnehin angespannten Situation der Geburtshilfe in der Stadt für Unruhe.
von  Bernhard Hiergeist
Am Rotkreuzklinikum soll ab 2025 die Klinik an der Taxisstraße unterkommen.
Am Rotkreuzklinikum soll ab 2025 die Klinik an der Taxisstraße unterkommen. © IMAGO/xFramedx

München - Wo betreten die Münchner Kindl diese Welt? In den Kliniken in Schwabing, Bogenhausen oder doch im Dritten Orden in Nymphenburg? Oder der Geburtsklinik an der Ziemssenstraße (ehemals die berühmte Maistraße)? Früher war das ein beliebtes Smalltalk-Thema auf Partys. Heute ist es für werdende Mütter und ihre Familien eine brisante Frage geworden. Und nun gibt es eine weitere besorgniserregende Nachricht: Die Geburtsklinik an der Taxisstraße in Gern – immerhin das Haus mit mehr als 3.000 Geburten pro Jahr und größte Geburtsklinik in München – wird schließen.

Beziehungsweise soll sie in dem Räumen des Klinikums am Rotkreuzplatz unterkommen, zu dem sie organisatorisch gehört. "Perspektivisch sollen die Leistungen der Betriebsstätte in der Taxisstraße mit Frauenklinik und Geburtshilfe umfänglich in den Räumlichkeiten des Rotkreuzklinikums in der Nymphenburger Straße angeboten werden", teilt das Klinikum mit, das von der Münchner Schwesternschaft des Bayerischen Roten Kreuzes betrieben wird. Leistungen sollen also keine wegfallen – doch schürt die Zusammenlegung der Betriebsstätten weiter Unruhe in einer Stadt mit einer ohnehin schwierigen Situation bei der Geburtshilfe.

"Immer mehr Geburten in München": Die Situation ist angespannt

Der Hebammenmangel in München ist berüchtigt. Zahlreiche Mütter finden keine Hebamme für die Vor- oder Nachsorge. Hebammenpraxen beklagen Überlastung. München verzeichnet immer mehr Geburten, auch weil im Umland Kreißsäle schließen, zuletzt etwa im April in Weilheim, und werdende Mütter müssen nach München ausweichen. "Die Situation ist angespannt", sagt Angelika Pilz-Strasser, die für die Grünen im Stadtrat und Gesundheitsausschuss sitzt, der AZ. "Es gibt immer mehr Geburten in München. Und es besteht die Gefahr, dass es noch mehr werden."

In diese angespannte Versorgungslage treffen immer wieder alarmierende Nachrichten wie die von einer möglichen Schließung der Geburtshilfe im städtischen Klinikum in Neuperlach. Selbst wenn diese nun erst einmal bis 2027 erhalten bleibt – werdende Eltern sind besorgt. Und nun eben die Schließung des Klinikstandorts an der Taxisstraße. Auch wenn die nicht überraschend kommt. "Die Einhäusigkeit ist nicht erst seit gestern im Gespräch. Uns ist bewusst, dass dieser Schritt jetzt notwendig ist, um das Klinikum finanziell wieder zu stabilisieren", sagt Alexandra Zottmann, Geschäftsführerin des Rotkreuzklinikums.

Patienten sollen von der Sanierung nichts mitbekommen

Dass das Haus in finanzielle Schieflage geraten ist, hatte das Klinikum Anfang September öffentlich gemacht. Trotz Zulaufs, den die größte Geburtsklinik der Stadt erfährt. Und trotz Modernisierungen: Ende Juni gab die Stadt etwa bekannt, dass in der Taxisstraße ein hebammengeleiteter Kreißsaal eingerichtet werden solle. Dieser soll die Vorteile von Geburtskliniken mit denen von Geburtshäusern verbinden: Enge Betreuung durch eine bekannte Hebamme sowie die Nähe es ärztlichen Eingriffsteams bei Komplikationen.

Es half nichts, dem Rotkreuzklinikum droht die Zahlungsunfähigkeit. Als Grund nennt das Klinikum die "nicht auskömmliche Krankenhausfinanzierung bei hohen Inflationskosten und tarifbedingten Kostensteigerungen". Nun soll durch ein sogenanntes Schutzschirmverfahren die Situation wieder stabilisiert werden. Dabei handelt es sich um ein Werkzeug, das bei einer drohenden Insolvenz angewendet werden kann. Im Gegensatz zu einem gängigen Insolvenzverfahren übernimmt nicht ein Insolvenzverwalter quasi sämtliche Befugnisse, sondern nur die Aufsicht über das Sanierungsverfahren. Die Geschäftsführung der Rotkreuzklinken bleibt weiter im Amt.  

Das Schutzschirmverfahren habe "keinerlei Auswirkungen auf den laufenden Klinikbetrieb, sodass dieser uneingeschränkt und vollumfänglich fortgeführt werden kann", teilten die Kliniken Anfang September mit. Die Zusammenlegung der Standorte an Rotkreuzplatz und Taxisstraße ist nun also Teil des Verfahrens. Als weitere Maßnahmen seien "Leistungsausweitungen in den bestehenden Strukturen geplant", wie das Haus mitteilt, etwa "im Bereich der Bettenbelegung, der Operationssäle, den Funktionsbereichen und Ambulanzen". Was das genau bedeutet – ob etwa die Betten schneller frei gemacht oder schneller operiert werden muss – dazu trifft das Klinikum noch keine Aussage. "Oberste Priorität" habe "die unveränderte Versorgung der Patientinnen und Patienten" an den "heutigen Standorten".

Was aus dem Gebäude wird, ist noch nicht entschieden

Ein Satz der Mechthild Hofner froh stimmt. "Insoweit wird der sehr wichtige Standort mit geburtshilflicher Versorgung für München erhalten bleiben", sagt die Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbands. "Eine Umstellung wird es nur geben, weil sich Frauen bezüglich der neuen Adresse umorientieren müssen und die Parkplatzsuche etwas schwieriger werden dürfte." Auf jeden Fall sollen alle Angestellten aus der Taxisstraße am Rotkreuzplatz unterkommen, niemand eine Kündigung erhalten. "Entscheidend ist für uns, dass wir alle Leistungen der Frauenklinik auch an der Nymphenburger Straße weiter fortführen", sagt der Insolvenzverwalter Mark Boddenberg. Keine Abteilung soll verloren gehen.

Angelika Pilz-Strasser von den Grünen hofft, dass dieser Plan eingehalten wird. Vor allem mit Blick auf den hebammengeleiteten Kreißsaal. "Für den haben wir viele Jahre gekämpft", sagt sie. "Es wäre sehr schade, wenn der nicht erhalten bliebe." Zwar könne die Stadt nicht wirklich Einfluss darauf nehmen, wie das Rote Kreuz als nicht-städtische Trägerin das Haus in Zukunft gestalte. "Wir wollen uns aber ein Bild über den Prozess verschaffen", sagt Pilz Strasser. Die Grünenfraktion habe etwa schon die Klinik-Chefärztin zum Gespräch eingeladen.

Wie alle Einrichtungen aus der Taxisstraße am Rotkreuzplatz unterkommen werden, ist noch unklar. Möglicherweise muss angebaut werden, damit alle Abteilungen und Angestellten Platz finden. Der Umzug soll ab 2025 stattfinden, wie das Rotkreuzklinikum mitteilt. Was übrigens aus dem imposanten Krankenhausgebäude in der Taxisstraße wird, das der Münchner Schwesternschaft gehört, ist auch noch nicht ausgemacht. Darüber werde erst zu einem späteren Zeitpunkt beraten und entschieden.

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