Sissi Perlinger über ihr schönstes Weihnachten
Wie war Heiligabend eigentlich früher? In der AZ erzählen Münchner, die man kennt, ihre Weihnachts-Geschichten aus der Kindheit. Heute ist das die Kabarettistin Sissi Perlinger.
Meine Eltern hatten ausnahmsweise groß eingeladen. Die gesamte bucklige Verwandtschaft würde über uns herfallen und seit Tagen war die Wohnung erfüllt vom Duft der Plätzchen und Zuckerwürfel, die an Orangenschalen gerieben wurden, um der Bohle ihr Aroma zu verleihen. Unser riesiger Esstisch wurde zur vollen Größe ausgefahren, wunderschön gedeckt mit dem alten Porzellan meiner Mutter und den geschliffenen Kristallgläsern.
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Als alle da waren, gab es im Wohnzimmer zuerst mal die Bescherung. Wir standen um den geschmückten Baum und irgendeiner sagte, „das Kind“ – also ich – solle ein Weihnachtslied zum Besten geben. Ich hatte mich für den Heiligen Abend zwar in ein schimmerndes Satinkleid geworfen und als Christkind verkleidet – aber jetzt vor all diesen Erwachsenen zu singen, das fand ich völlig daneben.
„Da ist das Christkind aber ganz traurig“, hieß es zwar zuerst – aber dann beendeten wir den feierlichen Teil des Abends schnell und schritten zur großen Tafel. Braten, Knödel, Gemüse und Blaukraut wurden herbei getragen, und als Höhepunkt platzierte meine Mama die riesig große Suppenterrine mit der heißen Rotweinbohle genau in die Mitte des Tisches. Dieser brach mit einem leisen Ächzen genau im Zentrum in zwei Hälften ein – und alles, was auf dem Tisch stand, rauschte infernalisch krachend und klirrend auf den Boden.
Alle sprangen schreiend auf, man holte eilig Eimer und Putzlupen, um die klebrigre Brühe daran zu hindern, sich über das gesamte Parkett zu verteilen. Es war ein unfasslicher Tumult und erst nach einiger Zeit, als alle immer noch fassungslos zu Atem kamen, bemerkte man die kleine Sissi zusammen gekauert in einer Ecke sitzend.
Ich dachte, ich sei an allem Schuld, weil ich durch meine Verweigerung das Christkind verärgert hatte. Und so sang ich ganz leise, meine Tränen unterdrückend: „Stillige Nacht, heilige Nacht“. Die gesamte Gesellschaft brach in brüllendes Gelächter aus. Und wahrscheinlich habe ich damals zum ersten Mal kapiert, dass Lachen die beste Medizin ist, wenn was schief läuft.
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