Shades of Grey: Sex-Fantasien der Münchnerinnen

Das Buch von E.L.James ist ein Verkaufsschlager – die Geschichte einer Studentin, die sich einem Milliardär hingibt.  Die AZ forscht nach: Welche Sex-Fantasien leben Münchnerinnen aus?
Amina Linke |
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Nicht nur im Roman erleben: Welche Sex-Fantasien leben Münchnerinnen aus? Die AZ fragt nach.
AZ/Fotolia/dpa Nicht nur im Roman erleben: Welche Sex-Fantasien leben Münchnerinnen aus? Die AZ fragt nach.

30 Millionen Mal hat sich das Buch von E.L.James verkauft – der Roman handelt von einer Studentin, die sich einem Milliardär hingibt, fesseln und quälen lässt. Die AZ forscht nach: Welche Sex-Fantasien leben Münchnerinnen aus?

München - Die Bibel hat ausgedient. Zumindest, was die Verkaufszahlen auf dem Buchmarkt anbelangt. Denn während es das Gottesbuch weltweit auf eine Auflage von nur 20 Millionen jährlich bringt, hat das Sadomaso-Buch „Shades of Grey“ von der Schottin E. L. James bereits die 30-Millionen-Marke geknackt – und das in den ersten drei Monaten. Allein in Deutschland ging die erotische Lektüre seit Juli an die 1,4 Millionen Mal über den Ladentisch.

James’ Geschichte um den jungen Milliardär Christian Grey und seine devote Sexgespielin, die Studentin Ana Steele, hat einen Hype ausgelöst, der sogar den von Zauberlehrling Harry Potter in den Schatten stellt. In England stürmten in den vergangenen Wochen die meist weiblichen „Shades of Grey“-Fans zahlreiche Sex-Shops – Peitschen und Fesselspiel-Accessoires waren lange Zeit ausverkauft. Und in den USA legen mittlerweile immer mehr Hotels ihren Gästen anstelle der Bibel das SM-Buch als Gute-Nacht-Lektüre aufs Kopfkissen.

Dabei stellt sich die Frage, gibt „Shades of Grey“ ein richtiges Bild der Sado-Maso-Szene, der SM-Szene wieder? Nein, sagt Matthias Grimme, Verleger und Autor grundlegender SM-Werke wie das „SM-Handbuch“. „James’ Buch bedient vielmehr ein exotisches Klischee – von sanfter Einführung in die SM-Welt kann nicht die Rede sein.“ Deshalb sei über die Bundesvereinigung Sadomasochismus ein Lesezeichen produziert worden, das an Buchhändler verteilt wird und die Leser über Sadomasochisten und Fetischisten aufklären soll.

„Nach 25 Jahren Erfahrungen in der SM-Szene kann ich sagen, dass Frauen, die auf SM stehen, eher Power-Frauen und keine Mäuschen vom Lande wie Ana Steele sind“, sagt Grimme. „SM erfordert Selbstbewusstsein – gerade auch, weil es in der Gesellschaft noch nicht akzeptiert ist.“

Trotz der fehlenden Akzeptanz ist SM aber in Deutschland weit verbreitet. Die größte SM-Onlinecommunity zählt immerhin über 40000 registrierte User. Auch in München gibt es über zehn SM-Gruppen, wobei Smigo mit 400 Mitgliedern die größte ist und auch für Einsteiger eine Plattform bietet. Auch das Dating-Portal Secret.de, auf dem sich Frauen und Männer für erotische Abenteuer jeder Form verabreden, erfreuen sich großer Beliebtheit und war auch der AZ bei der Recherche dieser Seite behilflich.

Wie steht es also mit den sexuellen Fantasien der Münchnerinnen? Die AZ hat nachgeforscht und mit vier Frauen aus unserer Stadt über ihre Sexualität, Lust und Leiden gesprochen.

 


Was mich anmacht  

Elena A., 41, Diplomsozialpädagogin: „Leidenschaften wie Hände- oder Augenverbinden, das hatte ich bereits als Jugendliche. Da wusste ich aber noch nicht, dass das auch als SM bezeichnet wird. Das war einfach ein Teil meiner Sexualität.

Dann ging ich nach München, in die große Stadt. Eine Freundin hat mich damals zu einem SM-Stammtisch mitgenommen. Dort habe ich meinen späteren Freund kennen gelernt. Mit ihm habe ich die SM-Welt dann ganz bewusst erlebt und gemerkt, ich bin ein Switcher, bin mal devot, mal dominant. Das Spannende dabei, ist der Kick, sich jemandem auszuliefern, seine Grenzen auszuloten und seinen Körper so besser kennenzulernen.

Mein Vater hat mir, als ich 15 Jahre alt war, gesagt, er wünscht sich, dass ich Sexualität nicht kennen lerne, bevor ich 20 Jahre alt bin – weil ich erst dann erleben könne, was Erotik wirklich ist. Und dann wünschte er mir, dass ich ab da so viele Männer im Bett habe, wie es nur geht – damit ich herausfinde, was ich mag.

Und das habe ich. Wenn mir zum Beispiel jemand in die Haare greift und mich runter zieht – das macht mich an. Die Grenze zwischen Lust und Schmerz. Ich möchte angepackt, nicht wie ein rohes Ei behandelt werden. Ein Safeword, ein Signal-Wort, habe ich dabei nie gebraucht. Mein Partner erkennt ja an meinem Gesichtsausdruck, an meiner Körpersprache, ob mir das, was er mit mir macht, gefällt. Das macht eines deutlich: SM ist nicht einfach wildes auf den Hintern-Gehaue. SM ist ein bewussteres Herangehen an eine Partnerschaft und an die Sexualität.“ 


Devote Frauen sind mutig

Manu R., 36, Kommunikationstrainerin: „Ich stehe auf SM, bin devot – durch und durch. Die Öffentlichkeit versteht das oft falsch. Viele denken, devote Frauen sind schwach, unterwürfig, Sklavinnen des Mannes. Schmarrn! Als devote Frau musst du dich trauen, dich fallen zu lassen. Du musst, den Mut haben, zu sagen, was du willst und was nicht. Das können nicht viele.

Auch mich hat das am Anfang überrannt. Seinem Partner zu sagen, „Ich will dir gehören“, oder „Bitte“ zu sagen, weil er es mir befiehlt – unvorstellbar. Und dann sitzt man zusammen beim Frühstück auf dem Balkon und kniet plötzlich vor seinem Schatz nieder, weil man tief in seinem Innern spürt, das ist richtig.

SM ist ein Lebensgefühl, ein sinnlicher Prozess, der sich aus dir heraus entwickelt. Mich macht daran das „Klein sein dürfen“ an. Als devote Frau bestimmst du zwar die Regeln, dein Partner übernimmt aber bei den Sex-Spielen die Verantwortung für dich. Das können die meisten Stinos, also die Stinknormalen, nicht. Sie wollen nur zielorientiert ficken.

SM ist dagegen eine vielschichtige Angelegenheit. Es gibt zum einen die sexuelle Komponente: Nackengriffe, Ohrfeigen, bestimmte Worte – wie: „Ich will, dass du mir gehörst“ –, die in mir sofort etwas auslösen. Zum anderen gibt es die seelische Komponente. Da reicht eine entsprechende Atmosphäre, das Spüren der inneren Verbundenheit, auf die der Körper reagiert. Da darf es gern ein bisschen schmerzhafter zugehen. Und manchmal beißt man die Zähne zusammen, erträgt für seinen Partner, der seine sadistische Ader ausleben möchte, auch mehr Schmerzen. Allerdings bin ich nicht der klassische Masochist, bei dem so Endorphine ausgelöst werden.

Wir begegnen uns vielmehr auf Augenhöhe, spüren kein Machtgefälle. In einer SM-Beziehung wird viel kommuniziert und reflektiert. Diese Seite des SM sehen die meisten Menschen nicht. Sie drücken einem Stigmata auf, verurteilen einen aus Unwissenheit.“

 


Partnersuche im Netz ist ehrlicher

Annette W.-P., 52, Bankkauffrau: „Lange habe ich mir überlegt, ob ich meine Sexualität übers Internet ausleben, mich hier auf die Suche nach Partnern zum Stelldichein begeben soll. Die Neugier siegte, ich meldete mich bei Secret.de an.

Das ist schließlich der ehrlichere Weg, dachte ich mir. Hier geben die Männer wenigstens an, ob sie Single oder gar verheiratet sind. Ich kuschel und küsse wahnsinnig gern, stehe aber auch auf aktiven Oralsex. Das gefällt vielen Männern.  

Einer schrieb mich an und fragte direkt, ob ich mit ihm in einen Swingerclub gehen würde. Nun mal langsam, dachte ich. Man kennt sich ja noch gar nicht. Wir haben dann miteinander telefoniert und uns unverbindlich in einem Café getroffen. Auf den Swingerclub hat er mich nicht mehr angesprochen. Das hat mich gereizt, hat mich so heiß gemacht, dass ich gesagt habe: So, wir gehen!

Das Lustschloss Arkanum in Eching war die erste Station unserer erotischen Freundschaft. Da geht es sehr viel gesitteter zu, als man denkt. Man sitzt an der Bar in schöner Unterwäsche, kommt mit anderen Pärchen ins Gespräch.

Mit einem haben wir uns besonders intensiv unterhalten: Der Mann stand auf mich, wollte Sex mit mir. Für seine Frau war das okay. Sie haben im Arkanum ihren 17. Hochzeitstag gefeiert, sie hat es ihrem Mann gegönnt. Also sind wir hoch gegangen, haben uns einen Raum ausgesucht und miteinander geschlafen – zuerst zu zweit dann zu dritt. Die Kunst dabei ist es, die meist männlichen Zuschauer, die um das Bett rum stehen, auszublenden.

Es kommen aber durchaus auch skurrile Anfragen. Ein Mann schlug mir vor, eine TG-Affäre mit ihm zu haben. Was ist eine TG-Affäre? Noch nie gehört! Eine Taschengeld-Affäre, sagte er. Da war ich erstmal baff, fragte: Wer zahlt dann wen? Er: Ich dich. Da erst begriff ich: Er wollte eine Art Ersatz-Prostituierte. Nicht mit mir. Da gehe ich doch lieber wieder in den Swingerclub.“

 


Sex mit einem Ehemann   

Stephanie S., 46, Assistentin: „Ich bin zum dritten Mal geschieden und habe momentan keine Lust auf eine feste Beziehung. Aber deswegen auf Sex verzichten? Das ist nichts für mich – ich will mich ausleben können.

Mit vier Männern hatte ich bisher über das Internetportal Secret.de Kontakt. Mit dreien habe ich mich im Café oder im Biergarten getroffen und dort sehr nett stundenlang geratscht.

Der Funke ist dabei zwar nicht übergesprungen – dafür hat’s mir der vierte um so mehr angetan. Der hatte nicht nur bereits im Internet eine charmante Art, sondern kam auch beim ersten Mailen sofort auf den Punkt.

Cybersex ist eine aufregende Sache. Hemmungen dabei hatte ich nicht, obwohl es das erste Mal für mich war. Man schreibt einfach drauf los: Ich möchte deine Haut spüren, liege gerade in der Badewanne, berühre mich und so weiter – der Fantasie sind gerade beim Schreiben keine Grenzen gesetzt. So gestand er mir auch, wie sehr er in meinen Po vernarrt ist – ich hatte ein Foto nur mit String auf mein Profil gestellt.

Irgendwann kam es dann zum Date. Wahnsinnig aufregend. Aber die Nervosität war unbegründet: Er hat mich gesehen, meine Hand genommen und dann sind wir Händchen haltend und schweigend spazieren gegangen. Ein prickelndes Erlebnis, weil wir beide ja wussten, was später noch kommt.

Am Abend ging’s dann zur Sache. Wir hatten uns ein Hotelzimmer genommen, lagen sexuell voll auf einer Wellenlänge. Auch der Humor hat gepasst. Die Trennung am nächsten Morgen fiel uns dann auch sehr schwer – obwohl ich ja eigentlich nur nach einem spannenden Abenteuer gesucht hatte und er verheiratet ist.

Deswegen konnte er mir auch nicht versprechen, ob wir uns ein zweites Mal sehen – er wusste nicht, ob er nach dem Seitensprung seiner Frau in die Augen schauen kann. Er konnte.“

 

 

 

 

 

 

 

 

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