Schwabing erinnert an eines der ersten Opfer der NS-"Euthanasieprogramme"

Helmuth Silberbergs Leben ist von Verlusten geprägt. 1940 wird er von den Nazis ermordet. Nahe der Münchner Freiheit wird ihm nun ein Erinnerungszeichen gesetzt.
Sophia Willibald
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Die Schwestern Roxana und Karina Licovetzky (v. l.) kamen aus Argentinien, um ihres Großonkels Helmuth Silberberg zu gedenken. Der 21-Jährige war eines der ersten NS-Euthanasieopfer. Hier in der Wagnerstraße 6 (damals 3) verbrachte er zwei Jahre seines kurzen Lebens.
Die Schwestern Roxana und Karina Licovetzky (v. l.) kamen aus Argentinien, um ihres Großonkels Helmuth Silberberg zu gedenken. Der 21-Jährige war eines der ersten NS-Euthanasieopfer. Hier in der Wagnerstraße 6 (damals 3) verbrachte er zwei Jahre seines kurzen Lebens. © Daniel von Loeper

München - Mit vier kleinen Schrauben wurde die vergoldete Tafel mit seinem Namen an der Fassade in der Wagnerstraße 6 (ehemals Nummer 3) festgeschraubt. In diesem Gebäude verbrachte Helmuth Silberberg zwei Jahre seines jungen Lebens. Nur drei Jahre später fiel der junge Jude einem "Euthanasieprogramm" der Nationalsozialisten zum Opfer – als einer der ersten.

Mit nur 21 Jahren wurde Helmuth Silberberg von den Nationalsozialisten ermordet – nun wurde ihm in Schwabing ein Erinnerungszeichen gesetzt

Am Donnerstag versammelten sich in der Seidlvilla am Nikolaiplatz unter anderem Vertreter der Stadt, der jüdischen Gemeinde sowie vom Archiv des Bezirks Oberbayern. Sie kamen, um Helmuth Silberberg zu gedenken und an der Wagnerstraße ein Erinnerungszeichen zu setzen.

Dazu reisten auch zwei Familienangehörige des Ermordeten aus Argentinien an – seine beiden Großnichten Roxana (48) und Karina (57) Licovetzky. Ihr Großvater war ein Bruder von Helmuth. Er wanderte 1937 nach Argentinien aus. 

Helmuth Silberberg wurde im Alter von 21 Jahren ermordet.
Helmuth Silberberg wurde im Alter von 21 Jahren ermordet. © Archiv des Bezirks Oberbayern

Helmuth Silberberg war der jüngste von sechs Kindern eines jüdischen Ehepaares. Er wurde am 15. Mai 1919 in Hannover geboren. Als Helmuth Silberberg sieben Jahre alt war, starb sein Vater. Roxana Licovetzky sagte am Donnerstag: "Ich kann mir gar nicht vorstellen, was es für einen Siebenjährigen bedeuten muss, wenn der Vater stirbt."

Helmuth Silberberg trafen viele Schicksalsschläge 

Ein Jahr danach brachte seine Mutter ihn ins Waisenhaus. Später schrieb der Junge dazu: "Ich kann mich nicht erinnern, seitdem je gelacht oder gespielt zu haben ...". Es folgten weitere Schicksalsschläge. 1934 versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Er kam in psychiatrische Behandlung und wurde Ende 1934 in das Lehrlingsheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München gebracht.

Die Eingewöhnung in dem Heim in der Wagnerstraße fiel ihm schwer. Mit 17 lief er weg und versteckte sich. Später gestand er der Polizei einen Mord, der jedoch nie stattgefunden hatte. Er wurde in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar gebracht.

Der junge Mann sah für Juden keine Zukunft in Deutschland und bat seine Mutter, mit ihm zu fliehen

Helmuth Silberberg sah für Juden keine Zukunft in Deutschland. Er bat seine Mutter immer wieder, mit ihm zu fliehen: "Dazu ist es nie zu spät; aber auch nie zu früh."  Seine Mutter war allerdings mittellos, nachdem die Nazis sie beraubt hatten. Und er selbst durfte die Anstalt alleine nicht verlassen.

Am 20. September 1940 wurde Helmuth Silberberg im Rahmen der Aktion T4, einer Maßnahme des Bayerischen Innenministeriums, gegen jüdische Anstaltspatienten, in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz deportiert und dort in einer Gaskammer ermordet. Zwei Jahre später wurde auch seine Mutter in Auschwitz ermordet. 84 Jahre nach seinem Tod sagte Roxana in ihrer Rede, dass sie und ihre Schwester nicht gekommen seien, um Schuld zuzuweisen. Sie seien gekommen, "damit der gleiche Fehler nicht wieder passiert".

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  • AufmerksamerBürger am 16.05.2025 06:42 Uhr / Bewertung:

    Der arme Mensch hat wahrhaft tragisches und sehr trauriges Leben gehabt, schon bereits vor den Nazis.
    Dies berührt sehr. Jetzt ist er in einer glücklichen Welt, das gibt Hoffnung.

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