Schüsse vor Israel-Konsulat in München: Attentäter handelte aus "Hass auf Israel"

Sein Hass auf den Staat Israel hat den 18-jährigen Emrah I. aus dem Salzburger Land angetrieben. Er feuerte am 5. September 2024 mit einem Armeekarabiner auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokuzentrum. Islamismus habe bei dem Anschlag eine untergeordnete Rolle gespielt, teilten Landeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft bei der Präsentation des Abschlussberichts zu den Ermittlungen am Freitag mit.
Emrah I. war "ein sozial isolierter Einzelgänger, der keine Freunde hatte", sagte Gabriele Tilmann, Leitende Oberstaatsanwältin bei der Generalstaatsanwaltschaft München. Er sei in Schule und Ausbildung gescheitert. Der 18-Jährige habe keine Strategien gefunden, um Misserfolge in seinem Leben zu bewältigen.
Antisemitische Kommentare im Vorfeld aufgedeckt
Stattdessen wurde er zum religiösen Eiferer. Emrah I. habe sich als Muslim ungerecht behandelt und diskriminiert gefühlt, sagte Gabriele Tilmann. Er entwickelte laut den Ermittlungen geradezu zwanghafte Verhaltensweisen, beispielsweise in Bezug auf Gebets- und Waschungsrituale. Der junge Österreicher mit bosnischen Wurzeln tauchte immer mehr in eine Welt ab, in der es um Hass auf Israel, den blutigen Nahost-Konflikt, um Waffen und um Sprengstoff ging.

Emrah I. radikalisierte sich quasi online via Internet im Kinderzimmer bei seinen Eltern in Neumarkt am Wallersee. Das ergab die Auswertung seines Computers und seines Handys. Er verbrachte Stunden damit, ein Ego-Shooter-Game zu spielen, bei dem er in die Rolle des Attentäters schlüpfte, Menschen erschoss und Sprengstoffanschläge verübte. Er habe dabei schon 2021 Symbole der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) in dem Computerspiel verwendet. Die HTS hat Ende 2024 Syriens Diktator Assad gestürzt. Allerdings hatte Emrah I. nach Erkenntnissen der Ermittler keine Kontakte zu HTS oder anderen islamistische Gruppen. Daher kommen die Ermittler in ihrem Abschlussbericht zu dem Fazit, dass Islamismus bei dem Angriff "wohl nur eine untergeordnete Rolle gespielt" habe.
Attentäter steigerte sich in eine israelfeindliche, ideologische Fixierung
Auf der Internetplattform TikTok schaute er sich jede Menge Videos an, in denen es um den Krieg im Gaza-Streifen nach dem Terroranschlag der Hamas im Oktober 2023 ging und das Leid der Palästinenser durch die daraus resultierenden Kämpfe. Der Krieg in Gaza sei für ihn ein weiteres Zeichen der Unterdrückung von Muslimen gewesen, so Gabriele Tilmann, und ein "Katalysator" für seine Radikalisierung.
Letztlich habe sich der 18-Jährige in eine israelfeindliche, ideologische Fixierung hineingesteigert und sich das Konsulat als Ziel ausgesucht, vermuten die Ermittler. Der Attentäter, der von 14 Projektilen aus Polizeiwaffen getroffen wurde und noch am Tatort starb, hinterließ kein Bekennerschreiben, kein Manifest, nichts, was helfen könnte, seine Handlungen zu erklären.
Der Schütze hatte nach LKA-Erkenntnissen ab Juli 2024 mehrfach erfolglos versucht, Waffen zu kaufen. Er wollte ein Repetiergewehr und zwei Samurai-Schwerter. Die Händler machten eine Sicherheitsabfrage. Dadurch erfuhren sie, dass gegen Emrah I. in Österreich ein behördliches Waffenbesitzverbot galt, sie machten einen Rückzieher.

Die Sicherheitsbehörden in Österreich wurden allerdings nicht darüber informiert, dass der 18-Jährige trotz Verbots versucht hatte, in den Besitz von Waffen zu kommen.
München: Mutmaßlicher Schütze starb nach Schusswechsel mit Polizisten
Am 4. Juli 2024 kaufte Emrah I. schließlich von einem privaten Sammler den Karabiner für 300 Euro. Dazu gab es ein Bajonett und 50 Schuss Munition für weitere 50 Euro. Die Waffe kann man in Österreich legal erwerben, muss sie aber innerhalb von sechs Wochen anmelden, wie Sebastian Herre, Kriminaldirektor beim Staatsschutz im LKA erklärte.
Emrah I. brachte den Karabiner in einen Wald. Am Tattag holte er die Waffe aus dem Versteck, er stieg ins Auto seiner Mutter und fuhr frühmorgens über Freilassing nach München.

Dass Emrah I. nicht nur auf das Konsulat schoss, sondern auch auf das NS-Dokuzentrum und andere Gebäude in der Nähe, führen die Ermittler auf "Orientierungsschwierigkeiten" zurück. Der 18-Jährige habe sich hinter einem Verteilerkasten versteckt und sich per GPS auf seinem Handy orientieren müssen, sagte Sebastian Herre. Der Attentäter hatte seine Ziele zwar zuvor im Internet gegoogelt. Doch dabei war ihm entgangen, dass das Generalkonsulat an diesem Tag geschlossen und das NS-Dokuzentrum noch nicht geöffnet hatte.