Schüsse im Gericht: So knapp war's
Ein Kripobeamter sagt im Zeugenstand des Todesschützen-Prozesses aus: Zwei Kugeln sind im Richtertisch stecken geblieben. Dahinter hatten drei Menschen Schutz gesucht
MÜNCHEN Nur Zentimeter trennten sie vom Tod. Ein Kripobeamter erklärte am Dienstag als Zeuge, wie knapp die Schüsse des Angeklagten Rudolf U. den Dachauer Richter, die Rechtsanwältin und den Protokollführer verfehlten. Die drei hatten am 11. Januar nach den tödlichen Schüssen auf den jungen Staatsanwalt Tilman T. († 31) hinter dem Richtertisch im Amtsgericht Deckung gesucht.
Der Brucker Polizist berichtete, wie die Ermittlungen anfangs liefen. Viel zu tun gab es nicht. Der Täter war ja noch am Tatort festgenommen worden. Die Tat war in aller Öffentlichkeit geschehen, an Zeugen herrschte kein Mangel. Da mussten die Ermittler nicht viel mehr machen, als den Fall aufzunehmen.
Auch Rudolf U. war nach seiner Festnahme kooperativ. Verweigerte dann aber jede Unterschrift oder Aussage. Auch den Beistand eines Rechtsanwalts lehnte er zunächst ab, berichtete der Sachbearbeiter bei der Kripo Fürstenfeldbruck.
Rekonstruiert habe man dann die Abfolge der Schüsse mit der belgischen Pistole. Die ersten beiden Schüsse hatten Tilman T. in der Leiste und der Brust getroffen. Die weiteren Schüsse gingen fehl. Sie schlugen im Heizkörper beziehungsweise in der Armlehne des Protokollantenstuhl ein.
Die letzten beiden Schüsse feuerte Rudolf U. im Gerangel mit einem Versicherungsangestellten ab. Der 55-Jährige feuerte in Richtung Richtertisch, die Geschosse blieben aber im Sockel des Tisches stecken. Nur wenige Zentimeter höher und es wären wohl weitere Opfer zu beklagen gewesen.
Rechtsanwalt Maximilian Kaiser, der sich in der vergangenen Woche ein Wortgefecht mit dem Richter geliefert und danach den Saal vorzeitig verlassen hatte, ist gestern auf die Bühne des Schwurgerichtssaals zurück gekehrt. Der Wahlverteidiger will als Pflichtverteidiger beigeordnet werden, da Rudolf U. pleite ist und ihn nicht bezahlen kann. Kaiser reichte eine Beschwerde gegen die Kammer ein.
Unter anderem kritisiert er, dass er seitens des Richters unterbrochen wurde, dass man ihm das Wort entzogen habe und dass ihn das Gericht als Pflichtverteidiger ablehnt. Zu dem eigentlichen Pflichtverteidiger habe der Angeklagte aber kein Vertrauen, argumentiert Kaiser. Den schicke Rudolf U. bestenfalls los, „um ihm eine Leberkässemmel zu besorgen”.
Diesmal blieb Richter Martin Rieder cool: „Wir werden die Beschwerde ans Oberlandesgericht weiterreichen.” Mehr nicht.
In der vergangenen Woche hatte Rieder die Ausführungen des Wahlverteidigers noch als „peinlich” kommentiert. Der Prozess wird am 21. November fortgesetzt.
- Themen: