Schülerin vergewaltigt: Warum der Täter frei kommt

Der 36-Jährige erhält eine Bewährungsstrafe, weil er fast die Hälfte seines Lebens in der Therapie verbrachthat und als nicht mehr gefährlich gilt.
John Schneider |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Nach 17 Jahren Therapie ist er geheilt: Can P. (Name geändert) mit seinem Anwalt Michael Wich.
Nach 17 Jahren Therapie ist er geheilt: Can P. (Name geändert) mit seinem Anwalt Michael Wich.

München - Schon zum Prozessauftakt war die Aufregung groß: Möglicherweise sollte es Bewährung für einen brutalen Vergewaltiger geben, der im Jahre 1995 eine Schülerin auf der Toilette des Luisengymnasiums überfallen und vergewaltigt hat, berichtete die Abendzeitung. Das darf doch nicht sein, so reagierten viele Kommentatoren auf der AZ-Homepage.

Und doch ist es genauso gekommen. Zwei Jahre auf Bewährung gab es für Can P. (36, Name geändert), der bei der Tat vor 19 Jahren 16 Jahre alt war, so lautete das Urteil der Jugendkammer des Landgerichts.

Das war geschehen: Sabine T. (16, Name geändert) war am 15. Februar 1995 nach der fünften Unterrichtsstunde gegen 12.20 Uhr auf die Mädchentoilette ihrer Schule im zweiten Stock gegangen. Kantinenhelfer Can P. folgte ihr unbemerkt. Als die Schülerin dann von der Toilette zurückkam, zerrte er sie in eine Kabine.

Der 16-Jährige drohte ihr mit einer Luftdruckpistole, die einer echten Pistole täuschend ähnlich sah. Er werde sie erschießen, falls sie nicht ruhig bliebe. Dann vergewaltigte er sie. Die Tat löste in München eine Riesendiskussion über die Sicherheit an Schulen aus.
Diskussionen wird es auch über das Urteil der Jugendkammer geben. Die milde Strafe ist Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die unsere Rechtsordnung als „Kuschel-Justiz“ bezeichnen. Zuviel Verständnis für die Täter, Gewalttäter auf immer wegsperren, um die Allegemeinheit zu schützen und Nachfolgetäter abzuschrecken – die Positionen der Justizkritiker sind bekannt.

Doch es gibt gute Gründe für das milde Urteil. Der Wichtigste: Sachverständige haben erklärt, dass von dem 36-Jährigen nach 17 Jahren Therapie keine Gefahr mehr ausgeht. Wieso 17 Jahre Therapie? Can P. war 1996 wegen eines ähnlichen Delikts zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Die Richter von 2014 sahen auch aufgrund der psychischen Erkrankung des Täters einen engen Zusammenhang beider Taten.

Can P. ging damals nicht in Haft, sondern in Therapie. Statt knapp vier Jahren dauerte sein Freiheitsentzug deshalb mehr als 17 Jahre. Die Therapie hat aber nun endlich nach Gutachtermeinung Wirkung gezeigt. Can P. durfte in eine Therapie-WG, konnte sich freier bewegen, eine Arbeit annehmen.

Anwalt Michael Wich: „Mein Mandant ist im Maßregelvollzug jahrelang auf das Leben in Freiheit vorbereitet worden. Die Gefährlichkeit seiner nun abzuurteilenden Tat ist austherapiert. Deshalb würde eine Haft zum jetzigen Zeitpunkt den Therapieerfolg massiv gefährden.“ Seine Resozialisierung habe inzwischen große Fortschritte gemacht, so Wich.

Dieser Position hat sich dann auch die Jugendkammer des Landgerichts unter dem Vorsitz von Reinhold Baier angeschlossen.    

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.