Schockliste der MVG: Was gestrichen werden soll und wie Politiker in München darauf reagieren

An den noch geheimen Sparplänen der MVG wird bereits Kritik laut. Die Rathaus-Opposition fordert neue Prioritäten: ÖPNV-Ausbau statt Luxusradwege.
von  Jan Krattiger
Von den Sparplänen sind auch die U-Bahnen betroffen: Das Bild zeigt Züge der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) am U-Bahnhof Fröttmaning.
Von den Sparplänen sind auch die U-Bahnen betroffen: Das Bild zeigt Züge der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) am U-Bahnhof Fröttmaning. © picture alliance/dpa

München - Was für ein Sparhammer, den MVG-Chef Ingo Wortmann nach AZ-Informationen bereits am 27. Oktober im Aufsichtsrat vorgestellt hat: 2,7 Milliarden Euro weniger als geplant soll die Stadt in den öffentlichen Verkehr investieren. Weil das Geld fehlt. Und das in einer Zeit, in der der Kurs genau in die andere Richtung gehen sollte. So hatte sich der Stadtrat den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und einen Anteil von 30 Prozent am gesamten Verkehrsaufkommen bis 2030 als Ziel gesetzt.

Daraus wird wahrscheinlich nichts. Es soll gespart werden in Bereichen, die Investitionen dringend nötig hätten: Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) will auf neue U-Bahnen, Trambahnen sowie Busse verzichten und Sanierungen bei U-Bahnhöfen erstmal aufschieben. Pläne für zusätzliche Betriebshöfe und Neubauprojekte sind auf der Streichliste. Über die Pläne hatte die "SZ" am Sonntag berichtet.

ÖPNV in München: Die Finanzierungslücke wächst und wächst

Schon jetzt ist das MVG-Angebot insbesondere bei den Bussen reduziert, weil Personal fehlt. Auf einigen U-Bahn-Linien werden Kurzzüge eingesetzt, damit keine ganzen Fahrten ausfallen.

Ein vertraulicher Finanzplan der MVG vom 6. Juli dieses Jahres, der der AZ vorliegt, macht das Problem deutlich: Nach eigenen Prognosen wächst der Anteil ungedeckter Kosten im Bereich der Mobilität jährlich, von 52 Millionen im Jahr 2024 auf erwartete 72 Millionen im Jahr 2027, Tendenz weiter massiv steigend.

Die Rathaus-Opposition der CSU sieht angesichts dieser Zahlen und der noch geheimen Sparpläne der MVG insbesondere die grün-rote Rathauskoalition in der Pflicht, umzuschwenken. Man sei zwar "nach wie vor der Überzeugung, dass die Verkehrswende nur funktionieren kann, wenn wir einen guten und funktionierenden ÖPNV haben", sagt CSU-Stadtrat Sebastian Schall, der auch im Aufsichtsrat der MVG sitzt.

"Ausgerechnet!": Die ÖDP ist entsetzt von der "Abkehr der Mobilitätswende"

"Deswegen sollten wir die Priorität nicht auf Luxusradwege setzen, sondern eher mehr Geld in den ÖPNV stecken." Schall gibt zu bedenken, dass die Stadt finanziell "nicht optimal" dastehe. "Da muss sich Grün-Rot ehrlich machen und eine Priorisierung vornehmen."

Noch drastischer formuliert es die ÖDP in einer Mitteilung. "Entsetzt" ist ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff, "dass die MVG und die politischen Verantwortlichen in Erwägung ziehen, ausgerechnet an der Mobilitätswende zu sparen". Er verlangt, "offen und transparent" zu diskutieren, wo es Sparpotenziale gibt. Eine "Abkehr von der Mobilitätswende" aber dürfe es nicht geben. Die Linke wiederum fordert, Großprojekte wie den U-Bahnausbau grundsätzlich zu überdenken.

"Priorisierung von Investitionsmaßnahmen"

"Keine Stellungnahme" zu den Sparplänen und dann irgendwie doch eine gibt es aus der SPD-Rathausfraktion am Montag. Die "Details dieser Pläne liegen unserer Fraktion bisher nicht vor", sagt Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der SPD/Volt-Fraktion und ebenfalls Aufsichtsrat der MVG.

Es sei aber "kein Geheimnis, dass der Nahverkehr unter einer Finanzierungslücke leidet". Die Geschäftsführung habe daher eine "Priorisierung von Investitionsmaßnahmen" vorgeschlagen.

Auch die Grünen betonen auf Anfrage, dass die Streichliste dem Stadtrat noch nicht vorliege. "Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass angesichts der finanziellen Belastungen im Öffentlichen Nahverkehr Prioritäten gesetzt werden müssen", sagt Stadträtin Mona Fuchs. "Solange dem Stadtrat diese Pläne nicht in gebotener Ausführlichkeit erläutert wurden, können wir einzelne Vorschläge nicht bewerten."  

MVG-Sparpläne: Das letzte Wort hat die Politik

Für den Verband Pro Bahn ist es eine "Frage der politischen Prioritäten", wie Sprecher Andreas Barth sagt. "Solange die Stadt munter neue Straßen mit Milliardenkosten plant, ist offensichtlich genug Geld da."

Die MVG und deren Chef Ingo Wortmann wollen die Sparpläne am Montag nicht kommentieren, es seien "Inhalte aus einer nichtöffentlichen Sitzung". Wie die AZ erfahren hat, soll der Chef die Pläne dem Aufsichtsrat in einer kommenden Sitzung erläutern. Und ganz am Ende entscheidet der Stadtrat darüber.

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