Schock und Scherben: Mysteriöse Explosion in Garching
Garching - Gertraud H. nimmt jetzt Schlaftabletten. Nasser N. dankt Gott, dass seine drei Kinder nicht im Flur gespielt haben. Ein Bub (11) sagt: „Es hat Peng gemacht – ich habe immer noch Angst, wenn ich ins Haus gehe.“ Und Murat S. denkt noch immer an seinen Vater – und an das Blut.
Im Römerhofweg 39 gibt es unter den Bewohnern derzeit nur ein Thema: Am Samstag hat es in ihrem Haus im Garchinger Norden eine Explosion gegeben – sie haben nur keine Ahnung, wieso.
Am Samstag gegen 12 Uhr schläft Murat S. noch. Plötzlich reißt ihn ein großer Knall aus dem Schlaf – eine Explosion! Der 25-Jährige springt auf, will aus seinem Zimmer – doch die Tür geht nicht auf. „Sie war verkeilt“, sagt der IT-Elektroniker.
Murat S. wohnt mit seinen Geschwistern und seinen Eltern im Erdgeschoss, also kraxelt er aus dem Fenster. Dann geht er ums Haus nach vorn – und steht mitten im Chaos. Vor dem Eingang des Mehrfamilienhauses liegen die mannshohen und zentimeterdicken Doppelglasscheiben des Treppenhauses auf dem Boden in Scherben – vor Sekunden noch hingen sie im ersten, zweiten und dritten Stock!
Wenige Minuten später stehen mehrere Löschzüge der Feuerwehr, Sanitäter, Streifenwagen vorm achtstöckigen Haus – Murats Schwester hat sie alarmiert. Später treffen noch Experten des Landeskriminalamts und der Stadtwerk ein. Der Verdacht: Gas!
Die Polizei holt Bewohner aus dem Gebäude, andere müssen in ihren Wohnungen bleiben. Beamte riegeln die Gegend ab, dutzende Bewohner müssen rund sieben Stunden warten, bis sie wieder rein dürfen. „Sie haben nach Gas gemessen“, sagt Murat S. „Auch draußen – auf der Wiese und rund ums Haus.“
Bei der Explosion gibt es einen Verletzten: Murats Vater Nurettin (60). Er ging gerade aus dem Bad, als es knallte. Die Tür flog auf und traf ihn direkt ins Gesicht und am Oberkörper. Jetzt liegt der Mann im Schwabinger Krankenhaus mit gebrochener Nase und drei gebrochenen Rippen. „Er war voller Blut“, sagt Murat.
Die Wucht müsse enorm gewesen sein, meint er – die Verankerungen der Wohnungstüren im Erdgeschoss wurden allesamt aus dem Gemäuer gerissen. „Mein Vater ist ziemlich kräftig. Ein schmächtigerer wäre wohl durch die Luft geflogen.“ Mittlerweile gehe es dem Vater besser – „wir stehen aber alle noch unter Schock.“
Gertraud H. aus dem zweiten Stock geht es einen Tag später genauso. Als es knallte, schälte sie gerade Spargel. „Erst hab’ ich gedacht, mein Wohnzimmerschrank hat’s zusammengehauen“, sagt die Hausfrau. Als sie in den Flur sah, hing die Tür ihrer Nachbarin in den Angeln. „Dann hat’s nach Gas gerochen“, sagt Gertraud H. „Und nach Dreck.“
„Die Angst schläft mit“, sagt die 63-Jährige aus dem zweiten Stock. Sie hat Angst, nimmt Schlaftabletten. „Es ist ein sehr komisches Gefühl – wie nach einem Bombenattentat.“
Eine Bombe war es ganz sicher nicht. Am Sonntag noch steht die Polizei vor einem Rätsel. Laut Polizeisprecher Wolfgang Behr habe man man sofort Gasmessungen durchgeführt – aber keine Hinweise darauf gefunden. Das Haus hat laut Murat S. zwar außen einen Gasanschluss, die Wohnungen selbst aber nicht.
Laut Polizei gibt es nicht einmal Spuren einer Explosion, wie etwa Verbrennungen. Wolfgang Behr: „Wir haben nichts gefunden, das den Schaden erklären könnte.“