Schneechaos in München legt den ÖPNV lahm: Wieso die MVG absichtlich die Gleise vereisen ließ

München - Wie Beton - so hart sei das Eis gewesen, das sich in den Tramgleisen festgesetzt hatte, sagt Michael Frieß. Er ist Betriebsleiter bei der Münchner Verkehrsgesellschaft und versucht mit einer ganzen Reihe Verantwortlichen am Freitag der Presse zu erklären, was schief lief in den vergangenen Tagen. Nach den heftigen Schneefällen am Wochenende zuvor stellte die MVG den Betrieb zeitweise komplett ein: Keine Busse mehr, keine Trambahnen und auf der U6 streckenweise keine U-Bahn.
Nach und nach hat die MVG den Betrieb wieder aufgenommen. Am längsten dauerte das bei der Tram. Erst ab Freitagmittag fuhr sie auf allen Linien regulär. Der Abschnitt Großhesseloher Brücke - Grünwald war bis dahin noch gesperrt. Und weil das Eis so hart wie Beton war, musste die MVG Werkzeug nutzen, was normalerweise Wände einreißt: Schlagbohrer, angetrieben von Dieselgeneratoren. 500 Mitarbeiter halfen laut MVG mit diesem Werkzeug die Schienen wieder freizubekommen. Nicht nur jene, die immer dafür zuständig sind, die Infrastruktur instand zu halten, sondern auch Fahrer und Leute aus der Verwaltung. Denn klar war: So lange die Schienen so vereist sind, können die Trambahnen nicht fahren - sie würden sonst entgleisen. Wie konnte es aber erst so weit kommen?

Eisprinzessin und Schneeberge: Wie die MVG die Strecken in München freizuhalten versuchte
"Bei Schneefall kommt normalerweise die Eisprinzessin zum Einsatz", sagt Oliver Glaser. Er ist ein Geschäftsführer bei der MVG und für den Betrieb der Schiene verantwortlich. Die "Eisprinzessin" ist eine ganz normale Tram, die aber bei Schneefall rund um die Uhr weiter fährt, um die Strecken freizuhalten.
So wird normalerweise verhindert, dass sich Schnee in den Rillen sammelt und gefriert. Vergangenes Wochenende sei das aber nicht möglich gewesen, so schildert es auch Ingo Wortmann, der Chef der MVG. Die Bäume seien so voller Schnee gewesen, dass sie auf die Gleise zu stürzen drohten. Auf den Oberleitungen habe so viel Schnee gelegen, dass die Gefahr bestand, dass der Strom überspringt und die Masten auflädt. Der Strom musste deshalb abgestellt werden. Ohne Strom kann auch keine Tram fahren.

MVG: "Richtige Entscheidung, auch wenn Gleise vereisten"
Außerdem habe auch die Feuerwehr darauf gedrungen, den Betrieb einzustellen. Aus Sicht von Ingo Wortmann nach wie vor die richtige Entscheidung - auch, wenn sie zur Folge hatte, dass die Gleise und Weichen vereisten.
Auch den Busbetrieb einzustellen, sei richtig gewesen, ist Wortmann überzeugt. Über Funk hätten sich am Freitagabend immer mehr Fahrer über die Zustände auf den Straßen beschwert, erzählt Christopher Utz, der Betriebsleiter, der für den Busverkehr verantwortlich ist. Sogar drei Unfälle habe es gegeben, weil Busse wegrutschten und ineinander stießen.
Zukünftige Maßnahmen in München: Wie die MVG sich auf ähnliche Wetterereignisse vorbereitet
Kollegenschelte wolle er zwar keine betreiben, sagt MVG-Chef Wortmann. Aber: Dafür die Straßen und Haltestellen zu räumen, ist das Baureferat und nicht die MVG zuständig. Wortmann fordert deshalb, dass sich die städtischen Referate und die MVG einen besseren Plan überlegen, wer was wann räumt.
Denn besonders kritisch seien die Kreuzungen gewesen, wo Schienen und Straße aufeinandertreffen. Außerdem mussten zahlreiche Fahrgäste erst über Schneehaufen kraxeln, bevor sie in einen Bus einsteigen konnten. Um der Schneemassen Herr zu werden, lieh die MVG einen Unimog aus Stuttgart aus. Solche Fahrzeuge will die MVG nun auch anschaffen, kündigt Wortmann an. Überlegen muss die MVG bloß noch wie viele.
Dass die Fehleranalyse der MVG wirklich ehrlich ist - daran hat Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn Zweifel. Er ist überzeugt, dass die Trambahnen auf den meisten Strecken (ohne Passagiere) hätten weiterfahren können, um die Schienen freizuhalten. Schließlich gebe es Bilder, dass ein Arbeitswagen die ganze Nacht fuhr.