Schmutzige Bilder: Fotograf lockt Buben vor Kamera

Der Mann gibt vor, Bilder im Auftrag einer angesagten Firma zu machen: Die Kinder sollen sich mit Schlamm beschmieren. Die Polizei schreitet ein. Eine erboste Mutter berichtet
München - Der Mann ist Mitte 30, sieht nett und jugendlich aus, arbeitet für den Bayerischen Rundfunk und eine religiöse Organisation. Und er schießt in seiner Freizeit gerne Fotos – von Kindern, die sich gegenseitig mit Schlamm einreiben.
So genau hat Andreas B. (Name geändert und der Redaktion bekannt) das dem Michi und dem Johann natürlich nicht erzählt. Am Montag, 4. Juni, spricht er die Zehnjährigen im Olympiapark an. Sie wollen gerade auf der Liegewiese der Schwimmhalle Trampolin springen.
Andreas B. sagt ihnen, dass er für die Skateboard-Firma Titus arbeitet. Für sie suche er „die schmutzigsten Münchner Jungs“. Ob sie nicht Lust hätten, sich fotografieren zu lassen? Das Ganze sei ein Wettbewerb. Wenn Michi und Johann sich ganz viel Mühe gäben, bekämen sie einen 50-Euro-Gutschein.
Die Firma Titus gibt es wirklich. Sie verkauft Skater- und Surferklamotten und ist bei Jugendlichen sehr beliebt. Die Aktion mit den „schmutzigen Jungs“ gibt es natürlich nicht.
Die Zweideutigkeit verstehen Michi und Johann auch nicht. Sie gehen mit. Wie später auf der Polizeiwache rauskommt, führt Andreas B. sie zum Tollwood-Gelände. Die Buben sollen sich in die Pfützen schmeißen, sich darin räkeln und sich gegenseitig mit Schlamm beschmieren. Sie tun es.
„Ihr seid die Coolsten“, ruft Andreas B. ihnen zu – das sagen Michi und Johann später auf der Polizeiwache. Der Mann fotografiert dabei ihren Po, als sie in den Pfützen knien. „Oder in den Schritt“, sagt Michis Mutter Carolin H. angewidert.
Das Ganze geht ein, zwei Stunden – immer wieder wechselt Andreas B. den Ort, sagt Carolin H. „Er lockte sie systematisch in die entlegensten Ecken.“
Schließlich beobachtet eine Frau das Treiben und ruft die Polizei. Die Beamten nehmen die Buben und Andreas B. sofort mit ins Revier an der Moosacher Straße. Sie befragen alle, beschlagnahmen die Fotos und rufen die Eltern an.
Carolin H. kommt erst gegen 19 Uhr dort an – als Unternehmensberaterin ist sie den ganzen Tag auf Terminen gewesen. „Als ich die Nachricht auf dem Anrufbeantworter gehört habe, bin ich sofort hingefahren“, sagt die Mutter.
„Die Buben wurden eigentlich gebrieft, mit niemandem mitzugehen“, sagt Carolin H. „Er sieht jugendlich und nett aus und muss sehr überzeugend gewesen sein.“
Auf der Wache ist er es nicht. Andreas B. habe sich in Widersprüche verstrickt, sagt die Mutter: „Mal sagte er, er arbeitet für Titus – und dann sagte er, das sei eine Vorrecherche für den Bayerischen Rundfunk. Die sei aber streng geheim, davon wisse der BR nichts.“
Was Carolin H. zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Es ist nicht das erste Mal, dass der verheiratete Andreas B. solche Fotos schießt.
Polizeisprecher Werner Kraus: „Vor zwei Jahren hat es bereits drei ähnlich gelagerte Fälle gegeben, die man ihm zuordnen kann.“ Andreas B. habe in allen Fällen ganz ähnliche Aufnahmen gemacht.
Strafrechtlich gesehen sei sein Tun keine Straftat – schon gar kein sexueller Missbrauch. Kraus: „Die Kinder mussten sich unserer Kenntnis nach nicht anfassen, wurden nicht angefasst und waren nicht nackt.“ Dennoch hat die Polizei alles zur Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Die prüft den Fall. Carolin H. weiß auch, dass „es juristisch eine Gratwanderung ist“. Trotzdem hat sie sich einen Anwalt genommen. „Ich bin außer mir und werde hiergegen mit aller Härte vorgehen“, sagt sie der AZ. „Für solche Kreaturen gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz.“
Den Fall hat sie in einem Brief dem BR und der religiösen Organisation geschildert. Die sollen überprüfen, „ob eine Beschäftigung eines solchen Mitarbeiters in ihrem Sinne ist“.
Die Firma Titus ist da schon weiter. Man sei entsetzt über den Vorfall, sagt Sprecherin Jutta Reinke auf AZ-Anfrage. „Wir kennen den Herrn nicht – geschweige denn einen solchen Foto-Auftrag.“ Die Firma, so Reinke, werde „zivil- und strafrechtliche Schritte einleiten“.