Schluss nach 35 Jahren: "Meine Seele hängt an Kuriosem"

Margit Muggenthaler verkauft seit 35 Jahren Antiquitäten und Raritäten in der Fraunhoferstraße 1. Damit ist bald Schluss. Doch sie hat neue Pläne.
Nina Job |
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Originelles Schaufenster: Ein Widder wacht neben einer Vortragefigur.
Daniel von Loeper 4 Originelles Schaufenster: Ein Widder wacht neben einer Vortragefigur.
Büsten sind zur Zeit sehr gefragt. Sie eignen sich auch als Hutständer.
Daniel von Loeper 4 Büsten sind zur Zeit sehr gefragt. Sie eignen sich auch als Hutständer.
Ölbilder, geschnitzte Heiligenfiguren, antike Möbel und Varia: Bei Margit Muggenthaler gibt es immer Neues zu entdecken. Und in ihrem geheimen Fundus lagert noch mehr.
Daniel von Loeper 4 Ölbilder, geschnitzte Heiligenfiguren, antike Möbel und Varia: Bei Margit Muggenthaler gibt es immer Neues zu entdecken. Und in ihrem geheimen Fundus lagert noch mehr.
Wacht über die Schätze: eine Ritterrüstung (Nachbau) – ohne Ritter.
Daniel von Loeper 4 Wacht über die Schätze: eine Ritterrüstung (Nachbau) – ohne Ritter.

München - Ihre Schaufenster sind legendär. Mal steht eine Madonna neben einem geschnitzten Hirsch aus dem 19. Jahrhundert, dessen Hörner mit einer Plastik-Girlande verziert sind. Ein anderes Mal wacht eine Ritterrüstung über eine Büste mit laszivem Blick und mondänem Hut. In der Adventszeit zog traditionell eine historische Eisenbahn im Schaufenster von Margit Muggenthaler ihre Kreise.

Doch das Antiquitätengeschäft mit Schätzen, Tand und Trödel aus vergangenen Zeiten wird bald selbst der Vergangenheit angehören. "35 Jahre sind genug", steht in verschnörkelter Schrift auf den großen Scheiben. Es wird Zeit, langsam Abschied zu nehmen. Ende August will Margit Muggenthaler für immer zusperren.

 

Selbst wer Stunden verweilt, wird nie alles betrachten können

 

Jahrzehntelang hat der Laden im quirligen Glockenbachviertel Passanten innehalten lassen. Es riecht nach Staub, altem Wachs und einer undefinierbaren Mischung nach Früher.

Wenn sich die Kunden umschauen, müssen sie aufpassen, dass sie nichts umstoßen – so voll ist der Laden. "Ich schaue jede Woche vorbei", erzählt eine Münchnerin, die sich für einen schlichten Tonkrug interessiert. "Aber ich entdecke immer wieder Neues. Für mich ist das hier ein bisschen wie im Museum."

Selbst wer Stunden verweilt, wird nie alles betrachten können. Im Fundus der 58-Jährigen gibt es Spitzenunterwäsche und Tiertransportkoffer aus dem Hause Wittelsbach, Dior-Hüte, Büsten aus Wachs, Tafelsilber, Hutschachteln, Devotionalien und Blechkisten, in denen Münchner einst ihre Schätze der Bank am Promenadeplatz anvertrauten. Und über allem thront ein Torbogen von einem Seitenaltar aus dem italienischen Hochbarock. "Meine Seele hängt an Kuriosem", sagt Margit Muggenthaler.

Angefangen hatte alles bei ihrer Tante im niederbayerischen Hengersberg bei Deggendorf. Dort entwickelte Margit Muggenthaler ihre Passion für Stoffe und Mode. Eine zweite Leidenschaft hatte sie damals bereits: alte Filme.

 

Ihr erstes Gemälde, ein Impressionist, hat 5000 Mark gekostet

 

Mit 19 zog Margit Muggenthaler aus der Provinz nach München, um an der Luisenschule Bildhauerei zu studieren. Um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, verkaufte sie Sachen auf Flohmärkten. Suchen, Sammeln und Weiterverkaufen. "Daraus ist eine Sucht geworden!"

Mit 23 erstand sie ihr erstes Bild: ein unsignierter Impressionist. Er kostete 5.000 Mark – sehr viel Geld für eine junge Frau. Sie zahlte in Raten und wusste, dass sie ihre Berufung gefunden hatte. Die Bildhauerei gab sie auf. "Es ist schwierig mit der Kunst. Diese Arbeit war nichts für mich. Ich bin nicht gern allein."

In ihrem Laden ist die energiegeladene Niederbayerin selten allein. Sie hat viele Stammkunden, die kommen, um ihren Geschichten zu lauschen. Auch prominente Kunden waren darunter: Rudolph Moshammer kaufte zwei goldene Wandleuchter, Jean Paul Gaultier gefiel ein historisches Paillettenkleid. Bühnenbildner von der Scala in Mailand oder den Salzburger Festspielen orderten bei ihr Kostüme.

Alle erstandenen Schätze und Kleidungsstücke – also das komplette Angebot – konnte sie nie ausstellen. In einer angemieteten Scheune in Tirol lagert Margit Muggenthaler abertausende Kleidungsstücke. Wie viele kann sie gar nicht sagen. Nur die Menge: "35 Kubikmeter". Die Kleidungsstücke sind in Schachteln verpackt, beschriftet und nach Frau, Mann, Kind, Milieu und Zeit geordnet.

 

Selbst bei James Bond kamen ihre Kostüme zum Einsatz

 

Muggenthalers Kostüme sind, außer auf Theaterbühnen, auch regelmäßig in Fernseh- und Kinofilmen zu sehen. Mal trägt der Gefangenenchor aus Nabucco verschlissene Hemden und Hosen von Kriegsheimkehrern aus ihrem Fundus. Andere Kleidungsstücke und Hüte sind in Charlotte Links "Nirgendwo in Afrika" und im Kinderfilm "Die Grönlandflieger" zu sehen. Einige ihrer Cuts sind im James-Bond-Streifen "Octopussy" verewigt.

Nun schrumpft das große Angebot im Laden allmählich. Margit Muggenthaler hat ihre Preise gesenkt. Noch bis März hat sie ihren Schwerpunkt auf den Verkauf von Möbeln gesetzt. Danach, zum Frühjahr, wird sie Schönes und Kurioses für die Garten- und Balkonsaison anbieten: Blumengefäße, Gartenbänkchen, Säulen oder auch Steinkapitelle. Ab Juni kommen dann Textilien dran.

Das Einzige, was sie niemals hergeben wird, ist eine japanische Puppe. Ihr Blick ist so eindringlich, als sei sie lebendig. Der frühere Besitzer hatte sie während der Weltkriege vergraben. Für Margit Muggenthaler ist die Puppe ein Talisman. "Würde ich sie verkaufen, würde das Glück entfleuchen", ist sie sich sicher.

"Das ist sehr, sehr schade, dass Sie aufhören", sagt die Kundin mit dem Tonkrug. "Ich tue es freiwillig! Ich möchte einfach wieder etwas mehr Zeit haben", erwidert Margit Muggenthaler lächelnd. Aber ganz aufhören kann sie dann doch nicht. Kürzlich hat sie sich für einen Stand auf der Auer Dult beworben. Und Ihren Kostüm- und Accessoires-Verleih für Film und Theater will Margit Muggenthaler ebenfalls weiter betreiben.

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