Schlösser-Klau! Der Liebestöter von der Isarbrücke

Mit einem Dietrich macht sich der Mann an den Metallteilen zu schaffen, die Paare an der Thalkirchner Brücke angebracht haben. Will er sie weiterverkaufen?
München - Es ist ein Stich ins Herz für viele Liebespaare der Stadt. Auf dem Foto ist ein unbekannter Mann mit einem Dietrich an der Thalkirchner Brücke unterwegs. Was er dort tut? Er knackt Liebesschlösser.
Liebesschlösser, die Paare hier aufgehängt haben, um sich so ihre ewige Zuneigung zu beweisen. Tausende von ihnen hängen an dem Geländer der Brücke. Viele davon mit aufwendigen Gravuren.
Ein Leser schickte das Foto an die AZ-Redaktion. Er wollte gerade mit seiner Freundin selbst ein Schloss aufhängen und will auch mit dem Mann gesprochen haben: „Und wenn unser Schloss in einer Woche verschwunden ist...?“, fragte er. „Haha! Eine Woche?“, soll die Antwort des Mannes gewesen sein.
Der Brauch der Liebes-Schlösser tauchte zunächst in Rom auf. Verliebte besiegelten ihre Bindung mit einem Schloss an der Milvinischen Brücke. Seit der Jahrtausendwende verbreitet sich der Brauch. Paare auf der ganzen Welt befestigen ihre Schlösser an Brücken und werfen danach den Schlüssel in den Fluss darunter. Auch in München sind sie an vielen Brücken zu finden – die meisten davon an der Thalkirchner.
Die Stadt duldet das Phänomen
Wer ist dieser Mann, der die Liebesbeweise einfach klaut? Nachfrage bei der Polizei: Eine Anzeige sei noch nicht eingegangen.
Könnte es vielleicht ein Mitarbeiter der Stadt sein? Eigentlich duldet sie das Phänomen. „Gelegentlich entfernen wir aber Schlösser“, erklärt Cornelia Unterhuber vom Baureferat, „aber nur dann, wenn sich Schäden an den Brückengeländern zeigen – zum Beispiel durch Korrosion“.
Außerdem knipsen die Mitarbeiter die Schlösser stets mit einem Bolzenschneider ab und nicht mit einem Dietrich. Danach werden sie im Bauhof aufbewahrt und können abgeholt werden. Der Unbekannte ist definitiv nicht von der Stadt beauftragt worden.
Die AZ fragt vor Ort nach und stellt fest: Der Mann ist öfter auf Diebes-Tour. Dietmar Sell, der gerade wegen Streicharbeiten den ganzen Tag an der Brücke verbringt, erkennt ihn auf dem Foto: „Ich habe den vor Kurzem noch fortgejagt“, erzählt er. „Er hat in aller Ruhe mit seinem Dietrich Schlösser geknackt.“
Das Motiv des Mannes ist unklar
Die Frage ist, was der Mann mit seinem Diebesgut anstellt. Die Schlösser sind wegen den teilweise aufwendigen Gravuren sehr teuer. Bis zu 40 Euro geben Paare für das perfekte Schloss aus, der Materialwert ist jedoch relativ gering.
Ebenfalls sehr ungewöhnlich: Das Knacken mit dem Dietrich braucht Zeit. Material-Diebe arbeiten in der Regel mit Bolzenschneidern, um schnell viel Metall zusammen zu bekommen. Das Motiv des Täters bleibt also unklar. Stört ihn gar das öffentliche Zurschaustellen von Zuneigung? Kann er es nicht ertragen, über die Brücke zu gehen und die vielen Liebesbeweise dort hängen zu sehen?
In Deutschland gab es schon ähnliche Fälle wie den an der Thalkirchner Brücke: In Heilbronn übergoss ein unbekannter Täter Liebesschlösser mit ätzender Säure, sodass die Gravuren kaum noch zu erkennen waren. In Köln wanderte vor kurzem gar ein 41-jähriger Drogensüchtiger wegen Diebstahls von 50 Schlössern für drei Monate ins Gefängnis.
Er wollte seine Beute für 3,20 Euro pro Kilo an einen Schrotthändler weiterverkaufen. Nach Ansicht des Richters sind die Metallteile keineswegs herrenlos, sondern nach wie vor Eigentum des Käufers. Nur die Grundstückseigentümer haben das Recht, sie zu entfernen. Auf dem Richtertisch standen als Beweis zwei Kartons voller Liebesschlösser. Der vorbestrafte Dieb reumütig: „Es tut mir leid.“