"Schafft Platz für Alte - statt für Reiche"
Wird die Klinik in der Maistraße zum Luxushotel? Vor Ort regt sich Widerstand – beim Seniorenbeirat: „Sollen die Älteren an den Rand ziehen? Die Leute müssen sich wehren, sonst ändert sich nichts“
MÜNCHEN Auf die Fassade mit ihren verschiedenen Motiven war man besonders stolz damals. Und auf die Treppenaufgänge und Säulen im Barockstil. 1916 war das, als die Klinik an der Maistraße nach schwieriger Bauzeit im Ersten Weltkrieg eröffnet wurde.
Rund hundert Jahre später wird die Frauenklinik geräumt. Das Uniklinikum plant für 2016/2017 den Umzug in eine neue Klinik in Großhadern – wie vier weitere Kliniken am Standort Innenstadt (AZ berichtete).
Die LMU wünscht sich für die freiwerdenden Häuser im Kerngebiet rund um die Pettenkoferstraße auch künftig eine universitäre Nutzung – doch was wird aus dem Gebäude an der Maistraße? Eine Top-Immobilie. Viele befürchten, der Freistaat Bayern wird sie teuer verkaufen: Ministerpräsident Seehofer will Schulden abbauen. Und viele fürchten, dass an dieser Stelle dann nur wohnen kann, wer sehr viel Geld hat. Manche munkeln von einem Luxushotel. Theo Kempf will das verhindern. „Die Bürger werden bei solchen Entscheidungen zu wenig einbezogen“, sagt er. Er hebt die Hand für die älteren Menschen in der Stadt und fordert: Schafft Platz für Alte statt für Reiche!
Der 63–Jährige ist einer von zwei Seniorenbeiräten im Viertel Isarvorstadt/Ludwigsvorstadt. Der Seniorenbeirat ist parteiunabhängig und ehrenamtlich. Kempf, der aus gesundheitlichen Gründen in Rente ist, ist von Beruf Krankenpfleger, lange hat er als Pflegedienstleiter im Altenheim gearbeitet.
„Die Stadt macht tolle Wohnprojekte mit Nachbarschaftstreffs in Neubaugebieten – aber nicht bei uns“, sagt er. „In unserem Bezirk gibt es bald nur noch Luxuswohnungen, und es gibt viel zu wenig seniorengerechte Wohnungen. Sollen die Älteren an den Rand ziehen?“, fragt er.
Gerade in München gibt es viele Single-Haushalte. Wenn diese Menschen alt werden wird es oft schwierig in der eigenen Wohnung. Kempf: „Offiziell möchte die Stadt, dass die Menschen möglichst lange in ihren Wohnungen leben können. Sie bringt es aber nicht fertig, dafür zu sorgen, dass auch in der privaten Wohnwirtschaft 100 Prozent barrierefrei gebaut wird.“
Vernetzung in der Nachbarschaft, Zusammenhelfen der Generationen – das sind Kempfs Ziele. „Man könnte in der Maistraße einen Nachbarschaftstreff einrichten. So ähnlich wie ein Alten-Service-Zentrum, nur für alle Generationen“, lautet sein Vorschlag. „Und wir müssen überlegen, ob es es genug Hilfe für Demenzkranke und ihre Angehörigen gibt.“ Auch da wäre womöglich für eine Tagesbetreuung Platz in der Maistraße.
Kempf würde sich wünschen, dass die Stadt die Immobilie vom Freistaat kauft. „Der OB entschuldigt Gentrifizierung gerne mit dem Erfolg der Stadt. Aber es fehlt auch an politischem Willen, die Gentrifizierung zu vermeiden oder zu mildern. Fortschritt muss auch sozial sein.“ Wichtig ist es Kempf, dass die Bürger sich bemerkbar machen: „Ich will nicht von vornherein sagen: Wir können eh nichts machen. Mit so einer Haltung hätte ich in meinem Beruf nichts zu Stande gebracht.“
Er sucht Unterstützer aus allen Berufen und Schichten, er wäre auch bereit zur Gründung einer Bürgerinitiative. „Wenn das alles in der Maistraße nicht möglich sein sollte, brauchen wir andere Areale. Was passiert mit dem Arbeitsamt, was im Schlachthofviertel?“ Kempf wird nicht aufhören zu fragen. „Die Leute müssen sich wehren, sonst ändert sich nichts.“