"Reisende nicht aufhalten": Wie die Münchner Grünen auf neue Parteiaustritte reagieren

Warum auch in München junge Leute die Grünen verlassen - und wie die Parteivorderen darauf reagieren.
Moritz Müllender |
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Gehört selbst noch zur Grünen Jugend: Florian Siekmann, Landtagsabgeordneter und München-Chef der Grünen Partei.
Gehört selbst noch zur Grünen Jugend: Florian Siekmann, Landtagsabgeordneter und München-Chef der Grünen Partei. © Archiv/dpa

München – Ein Teil des Vorstands der Grünen Jugend München (GJM) wird die Jugendorganisation und die Partei verlassen. Das geht aus einem Brief des GJM-Sprechers David Distel an die Mitglieder hervor. Um wen genau es sich handelt, ist noch unklar.

Distel selbst plädiert in seinem Brief jedoch dafür, in der Partei zu bleiben. "Ich teile die Wut und Enttäuschung über die grüne Regierungspolitik ausdrücklich" schreibt Distel. "Es braucht jetzt radikales Umlenken: Für bezahlbare Mieten, menschliche Migrationspolitik und für echte Klimagerechtigkeit." Dennoch finde er die Austritte falsch. "Gerade jetzt braucht es eine starke, linke, Grüne Jugend so sehr wie nie", findet Distel.

"Wir brauchen Stimmen wie deine so dringend"

Denn die Grünen würden in der kommenden Legislaturperiode aller Voraussicht nach die linkeste Kraft sein. Die Grüne Jugend (GJ) sei kampagnenfähig, habe starke Strukturen und gute Verbindungen in die Zivilgesellschaft sowie direkten Zugang zur Grünen Partei. "Nur wir können progressive Mehrheiten in der Zivilgesellschaft organisieren und gleichzeitig für linke Parlamentspolitik streiten", schreibt Distel in seinem Brief an die Mitglieder der GJM.

Den Brief postete Distel auf Instagram. Dort gibt es prominentes Lob. Die Bundestagsabgeordnete für München Süd Jamila Schäfer, die 2021 das erste Direktmandat für die Grünen in Bayern jemals holte, kommentiert: "Wir brauchen konstruktive kritische Stimmen wie deine so dringend." Schäfer ist selbst von 2012 bis 2014 Vorstandsmitglied der GJ in München gewesen, war ab 2013 Sprecherin. Wie blickt sie auf den Trubel in der Jugendorganisation?

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"Mich schmerzt jeder einzelne Austritt", sagt sie der AZ im Gespräch. "Gerade als jemand, die sich lange in der GJ engagiert hat, finde ich es schade, dass viele nicht nur das Vertrauen in die Partei verloren haben, sondern auch in sich selbst, die Partei mitgestalten zu können."

"Bin denen, die bleiben sehr dankbar"

Sie verstehe den Frust, finde es aber den falschen Weg, die Partei zu verlassen. Man müsse sich in der Partei organisieren, um deren Ausrichtung mitzugestalten. "Ich bin David Distel und den anderen, die bleiben, sehr dankbar", sagt die 31-jährige Münchnerin, "das sind genau die Leute, die wir jetzt brauchen." Für Schäfer müssten die Grünen jetzt mit konkreter Politik zeigen, dass sie die Anliegen der jungen Menschen angehen. Sie nennt hohe Mieten, Bildungspolitik und den Zugang zu Psychotherapie als zentrale Themen.

Die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer aus München hatte in Giesing das Direktmandat für ihre Partei holen können.
Die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer aus München hatte in Giesing das Direktmandat für ihre Partei holen können. © Christoph Soeder/dpa

"Viele junge Menschen haben das Gefühl, die Grünen sehen ihre sozialen Nöte nicht", sagt Schäfer, "das müssen wir ernst nehmen." Vieles habe man zwar im Parteiprogramm und teils auch im Koalitionsvertrag stehen, aber: "Wir brauchen mehr Mut und Durchsetzungskraft, um Projekte wie das Klimageld oder das Neun-Euro-Ticket durchzusetzen. Wir müssen ambitionierte Sozial- und Klimapolitik zusammenbringen."

Auch Florian Siekmann ist ein GJM-Gewächs. Mittlerweile ist er Stadtvorsitzender der Grünen in München, Landtagsabgeordneter und nach wie vor GJM-Mitglied. Kann auch er den Frust der Münchner Parteijugend verstehen? "Ja, ich kann das verstehen", sagt er. Er sieht vor allem die Enttäuschung über die Ampelkoalition als Grund. "Alle haben sich mehr von der Regierungsbeteiligung versprochen", sagt er. Man müsse jedoch bedenken, dass die Ampel in Zeiten regiert, die so herausfordernd seien wie lange nicht. Da könne man nicht alles schaffen, was man sich vornimmt.

Ist also nur die Bundespolitik schuld? Oder gibt es auch Konflikte mit den Münchner Grünen in Stadtrat und Landtag? Siekmann habe bei den Austritten nur Verweise auf die Bundespolitik und keine Kritik an der Arbeit im Stadtrat mitbekommen, sagt er der AZ. "Die Zusammenarbeit mit Blick auf die Stadtpolitik ist sehr gut." Es gebe viele Projekte, bei denen GJ und Partei gemeinsam vorangingen. Siekmann gibt sich überzeugt: "Die Grüne Jugend München bleibt ein starker Jugendverband."

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"Reisende soll man nicht aufhalten", sagt Siekmann über die Austritte. Die GJM brauche einen Vorstand, der sich auch für den Jugendverband in der Partei einsetze. Gleichzeitig sieht er auch Verantwortung bei der Partei, wieder mehr auf die Jugend zuzugehen: "Wir müssen die Tür öffnen, dass GJ-Mitglieder rein in die parlamentarische Politik kommen können", fordert Siekmann. Man müsse junge Menschen dabei unterstützen, ihre Generation zu repräsentieren. Siekmann findet: "Die Tür muss von beiden Seiten offen sein."

Wer genau nun austreten wird, darüber schweigen sowohl Siekmann als auch Distel. Siekmann "will keiner Entscheidung vorgreifen". Bekannt ist nur, dass ein Großteil der Ausgetretenen sich der neu gegründeten Bewegung "Zeit für was Neues" anschließen wollen.

 

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  • Jogi.Welle am 08.10.2024 21:27 Uhr / Bewertung:

    Und in übrigen die Grünen haben mit ihren Handlungen, erst den Zulauf von Wähler zur AfD verstärkt, aber das wollen die grünen Wähler nicht wahr haben.

  • Der wahre tscharlie am 09.10.2024 17:24 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Jogi.Welle

    Na klar, die Grünen haben die AfD erst stark gemacht :-)
    Vielleicht hättest dir gestern die Doku über die AfD und die diversen Aussagen von Ex-Mitgliedern wie Henckel anschauen sollen, dann versteht man, warum diese Partei von einer Euro-skeptischen Partei langsam zu einer rechten Partei wurde.

  • Jogi.Welle am 08.10.2024 21:23 Uhr / Bewertung:

    Deutschland Wirtschaft würde ohne Grüne Beteiligung ob auf Bundesebene oder Landesebene sogar in den Rathäuser besser gehen.

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