Radler auf die Straße: Ja, das dürfen sie!
Eigentlich ist es verblüffend einfach: Die Radlweg-Benutzungspflicht wird vielerorts aufgehoben, die Straße ist für alle da – auch für Radler. Dumm nur, dass das viele Autofahrer nicht wissen.
München - Sie hupen, gestikulieren, schimpfen. Immer wieder bringen Autofahrer ihr Missfallen zum Ausdruck, wenn Radlfahrer die Straße benutzen, obwohl es auch einen Radweg geben würde.
„Was soll das? Warum fahren Sie auf der Straße?“, motzt ein MVG-Busfahrer eine Radlerin in der Goethestraße durchs geöffnete Fenster an. „Ich darf hier fahren!“, gibt sie zurück – was vom Busfahrer daraufhin vehement bestritten wird.
Er täuscht sich. Auf immer mehr Münchner Straßen haben die Radlfahrer die Wahl, wo sie strampeln wollen. Nur: Kaum jemand weiß das. Vielleicht handelt es sich sogar um die unbekannteste Verkehrsregel der Stadt.
Auch KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle kennt das Problem. Voriges Jahr sagte er bei einem Pressetermin in der Goethestraße: „Für viele ist die Grundregel des Straßenverkehrs verblüffend: Die Straße ist für alle da.“
Tatsächlich müssen Radler nur dort, wo die allseits bekannten blauen Schilder aufgestellt sind, auf dem Radlweg bleiben. Betonung auf: nur dort.
Insgesamt gibt es in München noch rund 370 solcher Straßen oder Straßenabschnitte – doch es werden immer weniger. Seit einigen Jahren prüft das KVR, wo die so genannte „Radwegbenutzungspflicht“ aufgehoben werden kann.
98 Stellen in vier Stadtteilen (Laim, Maxvorstadt, Schwabing-Freimann und Au-Haidhausen) hat sich die Behörde schon angeschaut. Ergebnis: 63 mal wurde die Benutzungspflicht bereits aufgehoben, zuletzt zum Beispiel in der Infanterie-, Reger- und Ohlmüllerstraße.
Bei fünf weiteren Straßen steht die Änderung kurz bevor, darunter auch auf einem Teil der Thalkirchner Straße. Derzeit nimmt das KVR die Radwege in Bogenhausen ins Visier.
Warum das Ganze? KVR-Sprecherin Daniela Schlegel erklärt: „Nach Meinung vieler Experten ist das Fahren auf der Straße sicherer, weil die Autofahrer die Radler dort besser sehen können“ (siehe auch Interview unten zur Lindwurmstraße).
Außerdem gibt es sogar eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2010, die da lautet: Radler dürfen nur verpflichtet werden, auf dem Radweg zu fahren, wenn „eine auf besondere örtliche Verhältnisse zurückgehende qualifizierte Gefahrenlage“ besteht.
Die Rechtslage ist also unmissverständlich. Die Radler dürfen sich die Straße mit den Autofahrern teilen. „Doch das ist nicht drin in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer“, hat auch KVR-Chef Blume-Beyerle bereits eingeräumt. Deshalb schaffte die Stadt 15 Schilder an, „um für mehr Verständnis und Rücksichtnahme zu sorgen“, wie es Behörden-Sprecherin Daniela Schlegel ausdrückt. „Radverkehr auf der Fahrbahn ist zulässig“, ist darauf zu lesen.
Nun sind 15 Schilder aber nicht gerade viel. Hätten’s denn nicht ein bisschen mehr sein dürfen? „Wir befinden uns im Spagat, den Schilderwald abbauen zu wollen, aber andererseits die Änderung vor Ort zusätzlich kommunizieren zu wollen“, sagt Daniela Schlegel. Es sei zwar durchaus denkbar, dass nochmal neue Exemplare nachbestellt würden. Aber es sollten ganz bewusst Wanderschilder bleiben, die nach ein paar Monaten den Platz wechseln.
Auch in der Goethestraße stand so ein Schild bereits für einige Zeit. Ein Teil der Auto- und Busfahrer hat das aber wohl schon wieder vergessen.
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