Quereinstieg beim Einkaufen: S-Bahn fahren auf dem Baumarkt-Parkplatz

Die Software-Firma Zusi hat für die Bahn den rollenden Fahrsimulator "Rosi" programmiert. Der rollt ab sofort los, um spielerisch für den Job des Zugführers zu begeistern.
Hüseyin Ince
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Der fahrende S-Bahn-Simulator Rosi (innen verbaut) tourt durch die Region München.
Der fahrende S-Bahn-Simulator Rosi (innen verbaut) tourt durch die Region München. © Daniel von Loeper

München - Auf der Suche nach Fachkräften hat sich die Deutsche Bahn etwas Besonderes einfallen lassen. Die Herausforderung kann kaum größer sein, möchte man den S-Bahn-Betrieb in München – Verspätungen hin oder her – so aufrechterhalten wie bisher.

Denn bei der Bahn schlägt künftig der Fachkräftemangel ein. "Wir rechnen damit, dass in den nächsten Jahren etwa doppelt so viele Mitarbeiter gehen, als welche kommen", sagt Kathleen Scholz, Geschäftsleiterin Personal bei der S-Bahn München bei einer Presserunde im Münchner Südosten. In der Hofer Straße präsentierte die Bahn "Rosi" am Montagmorgen.

Mal selbst eine Runde fahren:S- Bahn-Personalchefin Personalchefin Kathleen Scholz und S-Bahn-Experte Faruk Lutvica.
Mal selbst eine Runde fahren:S- Bahn-Personalchefin Personalchefin Kathleen Scholz und S-Bahn-Experte Faruk Lutvica. © Daniel von Loeper

Anders gerechnet: Würde sich die Bahn nichts einfallen lassen, um mehr Personal zu bekommen, würden wahrscheinlich in Zukunft bis zur Hälfte aller S-Bahn-Fahrten ausfallen. Die Idee: Mit Rosi unter die Leute gehen, ein Grundgefühl dafür geben, wie es ist, eine Münchner S-Bahn zu lenken – und im Optimalfall einen Ausbildungsvertrag unterschreiben.

Ausfahren, hochfahren, fertig: In nur 20 Minuten ist S-Bahn-Simulator Rosi betriebsfertig aufgebaut 

Der Kasseler Spezialist "Zusi" hat den Simulator programmiert. Er hat eine täuschend echte S-Bahn-Konsole mit allen Knöpfen und Schaltern. Einsteigen und losfahren. Und zwar auf den Linien S1, S2 und S7. So möchte die Bahn die "Triebfahrzeugführer" der Zukunft rekrutieren, auf Festen, in Schulen – oder einfach mal am Baumarkt, egal ob Azubis oder Quereinsteiger.

"Es dauert etwa 20 Minuten, bis wir Rosi aufgebaut haben", sagt Benjamin Heigl, Teamleiter der Triebfahrzeugführer, der die Idee von "Rosi" mitentwickelt hat. Und Heigl betont: "Triebfahrzeugführer, nicht S-Bahn-Fahrer". Eine Art Zugführerschein der (Zusatzbescheinigung) Klasse AB1 sei das. "Damit darf man theoretisch auch einen Regionalzug fahren", sagt Heigl und schränkt gleich ein: "Aber natürlich bilden wir in erster Linie aus, um neue Mitarbeiter für die S-Bahn München zu bekommen."

Probeweise habe man sich zuletzt in Haar an einen Baumarkt gestellt. Und offenbar wurde schnell klar: "Rosi ist ein Kindermagnet", sagt Heigl. Und man habe sogar schon einen Quereinsteiger rekrutieren können, einen Bankkaufmann. Er habe den Ausbildungsvertrag bereits unterschrieben. Laut Heigl sagte er, dass er schon als Kind Kontakt zum Thema Bahn hatte: "Opa hatte mal eine Modelleisenbahn", habe der Bankangestellte gesagt, so erzählt es Heigl.

Mal selbst eine Runde fahren:S- Bahn-Personalchefin Personalchefin Kathleen Scholz und S-Bahn-Experte Faruk Lutvica.
Mal selbst eine Runde fahren:S- Bahn-Personalchefin Personalchefin Kathleen Scholz und S-Bahn-Experte Faruk Lutvica. © Daniel von Loeper

Ausbildung für Quereinsteiger dauert nur ein Jahr

Besonders der Quereinstieg könnte für viele interessant sein. Denn ein Jahr dauert diese Ausbildung bei der Bahn mit der entsprechenden Vorbildung. Nur, muss man sagen. Das zieht Leute aus vielen Branchen an. Zwei neue Kollegen bei der Bahn, die gerade zum 1. April die Quereinsteiger-Ausbildung begonnen haben, sind am Montag auch in der Hoferstraße. Und an ihnen merkt man: Es geht ums Große und Ganze, um die Lebenssituation.

Sükrü Bayhan (35) etwa erzählt, dass er bis zuletzt in der internationalen Immobilienbranche tätig gewesen sei. "Ich fuhr manchmal tagelang oder wochenlang nach Spanien", sagt er. Doch seine Partnerin und er haben Nachwuchs. Das funktioniere so einfach nicht mehr.

Also habe sich Bayhan nach einem Job umgeschaut, der berechenbarere Arbeitszeiten mitbringt. Mit dem Thema Bahn habe er schon als Kind Kontakt gehabt. Ganz fremd war ihm das alles nicht. "Einer meiner Verwandten ist früher Triebfahrzeugführer gewesen", sagt Bayhan.

Neben ihm steht David Reuter (48). Er hat bis vor ein paar Monaten in der Gemeinschaftsverpflegung eines großen deutschen Unternehmens mit Sitz in München gearbeitet. Er war im Einkauf und der Warenannahme beschäftigt.

Rosi wird nicht nur in der Region München unterwegs sein, sondern weit über die Stadtgrenzen hinaus

"Vielen Kollegen wurde gekündigt. Es war immer mehr Arbeit für immer weniger Mitarbeiter, kaum noch zu leisten", sagt Reuter. Also habe auch er ein Abfindungsangebot angenommen. "Die Gastronomie ist derzeit eine sehr komplizierte Branche im Umbruch", sagt Reuter.

Um Männer und Frauen wie Reuter und Bayhan für den Job zu begeistern, rollt Rosi schon bald weiter. Nächster Halt: Beim Feuerwehrfest in Neubiberg am 17. Mai, danach beim Feuerwehrfest Hohenschäftlarn, am 28. Juni. Weitere Termine: 20. Juli, Fluss Festival in Wolfratshausen; 26. Juli, Bahnhofsfest Buchloe.

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