Prügeln, um den Ruf zu verteidigen

  Die Münchner Soziologin Kirsten Bruhns forscht seit Jahren zum Thema Mädchen und Gewalt. Die AZ hat mit ihr gesprochen.
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Am Eingang des Josef-Hofmiller-Gymnasiums in Freising: Hier hat eine Zehntklässlerin am Mittwoch eine Mitschülerin mit einem Messer verletzt.
dpa Am Eingang des Josef-Hofmiller-Gymnasiums in Freising: Hier hat eine Zehntklässlerin am Mittwoch eine Mitschülerin mit einem Messer verletzt.

Eine Münchner Soziologin forscht seit Jahren zum Thema Mädchen und Gewalt.

AZ: Frau Bruhns nimmt Mädchengewalt wirklich zu oder schauen wir nur anders hin?

KIRSTEN BRUHNS: Die Zahlen stützen das, Gewalt von Mädchen nimmt zu. Allerdings gibt es bei der Kriminalitäts-Statistik eine wesentlich größere Steigerung als in den Zahlen der Sozialforschung. Bei Kriminalitäts-Statistiken wird registriert, wer angezeigt wird, und ich denke, dass die Bereitschaft, Mädchen anzuzeigen durch die Aufmerksamkeit zugenommen hat.

Welche Unterschiede gibt es in der Gewalt von Jungen und Mädchen?
Bei den Jungen geschieht das oft im Zusammenhang mit anderen kriminellen Aktivitäten wie Verteilung der Beute, Kampf um Reviere. Auch das Abziehen, das gewaltsame Ausrauben von Fremden, ist bei Mädchen nicht so verbreitet. Bei den Mädchen sind die Anlässe geringer. Gewalt spielt sich im Bekanntenkreis ab.

Welche Anlässe sind das?
Beleidigungen. Ein häufiger Grund ist, dass man gehört hat, dass eine andere etwas über einen gesagt hat. Es wird dann manchmal richtig geplant, sich zu prügeln, um den Ruf zu verteidigen.

Gegen wen richtet sich Mädchengewalt?
Überwiegend gegen andere Mädchen.

Wie wichtig ist „Ehre” ?
Bei den Mädchen immer wichtiger. Man muss unterscheiden zwischen Einzeltäterinnen und gewaltbereiten Cliquen. In Cliquen ist der Ehrbegriff sehr wichtig.

Welche Rolle spielen eigene Gewalterfahrungen?
Es gibt amerikanische Studien, die nachweisen, dass es eine Rolle spielt. In unseren Stichproben hatten wir auch Mädchen, die Missbrauch in der Familie erlebt haben, auch Untersuchungen unter Strafgefangenen zeigen das.

Die Mädchen befreien sich aus einer Opferrolle?
Erstens das. Aber zweitens ist das auch ein Nachahmen. Diese Mädchen haben gesehen und erlebt, dass man sich mit Gewalt erfolgreich durchsetzen kann.

Wie kommt man da raus?
Einzeltäterinnen leiden selbst oft stark darunter und werden wegen ihren Taten ausgegrenzt. Sie finden den Weg schneller raus. In Cliquen dagegen bekommen die Mädchen durch Gewalt Bestätigung – die einzige, weil es in Familie und Schule schlecht läuft. Es wird häufig besser, wenn die Mädchen aus der Schule sind. Sie merken, dass sie Schwierigkeiten in der Ausbildung bekommen. Und sie haben schlicht weniger Zeit, sich auf der Straße zu prügeln.

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