Prozess verloren: Richterin setzt schwerbehinderte 85-Jährige auf die Straße
Es ist ein knallhartes Urteil: Weil der Sohn einer 85-jährigen Mieterin wiederholt die Hoftür nicht richtig schloss, muss die schwerbehinderte Rentnerin ihre Wohnung in der Altstadt räumen. Das verkündete Richterin Prantl am 23. Mai im Amtsgericht in der Pacellistraße.
Eva Sch. (85) wohnt seit 34 Jahren in ihrer Wohnung in der Stollbergstraße, einer Seitenstraße der Maximilianstraße. Unten im Haus war jahrzehntelang der Austernkeller. Nun muss Eva Sch. laut Urteil zum 31. Dezember 2025 ausziehen.
Eva S. (85) und ihr Sohn Claudius (59) können es nicht fassen. Alles Hoffen war vergebens. Schon während des Prozesses am 29. April hatte die Richterin zu erkennen gegeben, dass sie dem Vermieter wohl recht geben werde. Der Medizinprofessor hatte Eva Sch. auf Räumung und Herausgabe der Wohnung verklagt (AZ berichtete).

Der Grund: Claudius Sch., der seine schwerkranke Mutter pflegt und mit in ihrer Wohnung wohnt, soll "regelmäßig“ – so der Vermieter – die Hoftür offenstehen lassen haben. Der Vermieter wirft Claudius Sch. vor, dass dieser mehrfach das Schloss "manipuliert“ habe, indem er die geöffnete Tür absperrte, damit sie nicht ins Schloss fällt.
Tochter traute sich nur noch mit Pfefferspray in das Gebäude
Beim Prozesstermin hatte der Vermieter (73) behauptet, dass seine Tochter – die ebenfalls in dem Haus wohnt – sich nur noch mit Pfefferspray in das Gebäude traue. Im Hausflur hätten schon Obdachlose geschlafen und dort "uriniert“. Claudius Sch. hingegen hatte behauptet, dass die Hoftüre jahrzehntelang tagsüber meist nur angelehnt gewesen sei. Und die Geschichte mit den Obdachlosen, so berichtete er am Rande des Prozesses, sei erfunden. Da könne man andere Mieter fragen.
Die Richterin begründete ihr Urteil mündlich so: Claudius Sch. habe das Offenstehenlassen der Türe nicht wirklich bestritten – "jedenfalls nicht so, dass es hier rechtlich relevant wäre“. Und er habe die Tür auch noch offenstehen lassen, nachdem er bereits eine Abmahnung bekommen hatte.

"Das Verschlossensein einer Haustüre ist aus meiner Sicht ein sicherheitsrechtlicher Aspekt", so die Richterin weiter. Es sei sogar so, dass der Vermieter verpflichtet sei, zum Schutz der Mieter eine Haustür zur Verfügung zu stellen, "die absperrbar ist und vernünftig abgesperrt ist".
Das Haus befinde sich in der zentralsten Lage Münchens. Da spräche sich herum, wenn eine Tür offenstehe. "Von daher ist es aus Sicht des Gerichts durchaus ein Sicherheitsproblem. Und das reicht dem Gericht für die außerordentliche Kündigung", so die Richterin. Für die 85-jährige Mieterin täte es ihr leid. "Aber sie muss sich das Verhalten ihres Sohnes zurechnen lassen, auch wenn er nicht Mietvertragspartei ist." Er wohne in der Wohnung, "insoweit hätte sie auf ihn einwirken müssen."
Eva Sch. hat von alldem nichts mitbekommen
Doch wie Eva Sch. das hätte tun können, nachdem sie von Juli 2024 bis Februar 2025 im Krankenhaus und in der Reha war – darauf ging die Richterin nicht ein. Er hatte ihr gar nicht von dem ganzen Ärger erzählt, als sie in der Klinik und Reha war – um sie zu schonen, berichtete er der AZ. In ihrer Urteilsbegründung sagte sie noch, dass sie das Verhalten des Sohnes nicht nachvollziehen könne. "Man mag das (mit der Tür/Red.) als Lappalie bewerten, aber man hätte die Abmahnung ernst nehmen müssen."
Zu guter Letzt sagte sie noch über Claudius Sch., sie habe in der Hauptverhandlung nicht das Gefühl gehabt, "dass hier Einsicht war, dass man so nicht handeln darf". Es sei "tragisch", dass ein Mieterverhältnis, das schon so lange währe, wegen so etwas enden müsse. "Aber eine Pflichtverletzung und ein Handeln verantworten letztendlich die, die es tun", schloss die Richterin.
Mutter und Sohn haben Berufung angekündigt
Claudius Sch. und seine Mutter kamen nicht persönlich zur Urteilsverkündung. Was sie anfangs nicht für möglich gehalten hatten, nämlich, dass sie wegen dieser Tür-Geschichte ihre Wohnung verlieren könnten, ist nun zur konkreten Gefahr geworden. Seit dem Prozess Ende April treiben sie große Sorgen um. "Meine Mutter kann nicht mehr schlafen seit der Verhandlung", sagte Claudius Sch. zur AZ. Er hat unmittelbar nach der Urteilsverkündung angekündigt, in Berufung zu gehen. Mutter und Sohn wollen das Urteil anfechten.
- Themen:
- München