Prozess um tödliches Zugunglück in Garmisch: Angeklagter sagt unter Tränen aus
Dienstagvormittag, Saal B 166 im Strafjustizzentrum: Alle Plätze sind belegt, denn es geht um die juristische Aufarbeitung des Bahn-Unglücks bei Garmisch, das fünf Menschen im Juni 2022 das Leben kostete. Kurz nach Beginn des emotional aufgeladenen Prozesses gegen die beiden angeklagten Bahn-Mitarbeiter fließen bereits die ersten Tränen. Hat der inzwischen pensionierte Fahrdienstleiter (66) die Anklageverlesung noch mit versteinerter Miene über sich ergehen lassen, bricht es danach aus ihm heraus. Unter Tränen sagt er, dass ihn Schuldgefühle plagen.
Fünf Menschen starben damals, weil ihr Zug entgleiste. 72 der 120 Fahrgäste, einige davon noch Kinder und Jugendliche, wurden teilweise schwer verletzt. Die Anklage listet minutiös alle Verletzungen auf. Der Regionalzug war in Burgrain bei Garmisch bei erlaubten 100 Stundenkilometern mit Tempo 90 unterwegs. Aufgrund eines "reihenweisen Versagens von Betonschwellen" entgleiste der Zug.
Wegen chemischer Reaktionen im Inneren des Stahlbetonkerns waren die Schwellen nicht mehr tragfähig genug. Drei Waggons rutschten den Bahndamm hinunter und blieben auf dem Dach liegen. Der mitangeklagte 58-jährige Bahnmitarbeiter wird beschuldigt, er habe als Bezirksleiter Fahrbahn bei der DB nicht dafür gesorgt, die notwendigen Reparaturen der maroden Betonschwellen auf den Weg zu bringen.
Der rechtzeitige Austausch hätte das Todesgeschehen sicher verhindert, so die Staatsanwältin.
Bahn-Mitarbeiter: "Jeden Tag denke ich an den Unfall"
Auch der 58-Jährige scheint sich zumindest einer Mitschuld bewusst zu sein. Im Gerichtssaal gesteht er jedenfalls, er hätte der Sache mehr auf den Grund gehen können und auch müssen. "Jeden Morgen, jeden Tag denke ich an den Unfall", sagt er. "Es tut mir sehr leid, dass ich das Unglück nicht habe verhindern können."
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und dem Fahrdienstleiter fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor. Fünf Menschen, ein 13-Jähriger und vier Frauen (zwischen 30 und 70 Jahren), starben bei dem Unglück.
Der Fahrdienstleiter hatte am Abend vor der Katastrophe per Funk die Meldung von einem Zugführer bekommen, dass auf der Strecke etwas nicht stimme. Entgegen seinem Versprechen, den Hinweis weiterzugeben, habe er dies versäumt. Warum könne er nicht sagen, sagt der 66-Jährige unter Tränen. Er habe die Meldung aber auch nicht so verstanden, dass eine sofortige Reaktion nötig gewesen wäre.

Das hatte der Zugführer dem 66-Jährigen gesagt: "Du, pass auf! Zwischen Farchant und Garmisch, Kilometer 97,7 bis 97,6, das ist eine Kurvenüberhöhung, da ist einmal irgendwo so ein Schlenkerer drin, also da macht der, da hupft der Zug richtig, also irgendwie müsste da mal einer schauen, ob da vielleicht ein Gleislagefehler ist oder nicht gescheit gestopft ist", zitiert die Anklage den Funkspruch.
Verteidiger: Ausgebliebene Meldung für Unfall nicht wichtig
Die Verteidiger pochen aber dennoch auf die Unschuldsvermutung. Zumal für den Unfall gar nicht entscheidend gewesen sein könnte, dass der Mann die Meldung nicht weitergegeben habe. Denn vor dem Unfall seien noch 28 Züge ohne Probleme über die Stelle gefahren.
Die Strecke blieb monatelang gesperrt, der Schaden an Fahrzeugen und Infrastruktur belief sich auf 4,75 Millionen Euro.
Im Raum steht auch der Vorwurf, dass die Bahn-Tochter DB Netz zuvor nicht ausreichend auf die Erkenntnisse zu schadhaften Betonschwellen reagiert und den Unfall dadurch erst ermöglicht habe. Die Probleme an älteren Schwellen seien bekannt. Der Unfall sei vermeidbar gewesen, hieß es.
Außerdem will die Bahn alle potenziell risikobehafteten Bahnschwellen austauschen. Ein Großteil davon, nämlich zwei Millionen Betonschwellen, sei bereits ersetzt worden.
Ursprünglich wurde gegen drei Bahnmitarbeiter Anklage erhoben – ein Verfahren wurde jedoch gegen die Zahlung von 4000 Euro eingestellt.
Der Prozess dauert an.
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