Prozess gegen Ex-Siemens-Vorstand: Watschn fürs Gericht
MÜNCHEN - Das Korruptionsverfahren gegen Ex-Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt muss gleich nach seiner Eröffnung vertagt werden. Der Verteidigung reichen zwei Berufsrichter nicht – sie will drei.
Michael Rosenthal lächelt. Gerade hat er eine kurze Rede gehalten, jetzt könnte sich der Anwalt eigentlich selbst auf die Schulter klopfen. Der Korruptionsprozess gegen Ex-Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt, mit viel Medientamtam eröffnet, wird zehn Minuten nach seiner Eröffnung wieder vertagt. Das Gericht hat von Rosenthal eine saftige Watschn bekommen, kann erst nächste Woche weiter verhandeln.
Auftakt im Verfahren um Bestechung und Steuerhinterziehung im größten Elektronikunternehmen der Welt. Bei einem Prozess wie diesem müssten es schon drei Berufsrichter sein, hatte Ganswindt-Verteidiger Michael Rosenthal argumentiert. Wenn das Gericht nicht das Risiko eingehen wolle, dass gegen das Urteil später Revision eingelegt werde, müsse es einen weiteren Juristen hinzuziehen.
Richterin Jutta Zeilinger bleibt nichts anderes übrig, als die Verhandlung bis zum nächsten Dienstag zu unterbrechen. „Das ist eine Verzögerungstaktik, sonst gar nichts", ärgert sich Gerichtssprecherin Margarete Nötzel. Man habe von den Bedenken der Verteidigung erst in letzter Minute erfahren, heißt es bei Gericht; Co-Anwalt Kurt Bröckers stellt es anders dar: „Wir haben unsere Einwände im Vorfeld mitgeteilt.“
Unklar bleibt, was die Grätsche der Verteidigung soll. „Eine unmögliche Frage!“, blafft Rosenthal, um eine Erklärung gebeten. Wollen sich die Anwälte gegenüber ihrem Mandanten profilieren? Spekulieren sie auf eine andere, für sie günstigere Zusammensetzung des Gerichts? Oder fürchten sie einfach, angesichts der Aktenberge könnte ein dünnbrüstig besetztes Gericht ein Zufallsurteil zuungunsten ihres Mandanten fällen?
Fest steht: Der Prozess wird kniffelig, ein Verfahren der Konjunktive. Was hätte Ganswindt tun müssen, wenn er – wie unterstellt – von den massiven Schmiergeldzahlungen erfahren hätte? Hätte er seinen Mitarbeitern Glauben schenken müssen? Was wäre dann passiert? Wie hätte er eine ordentliche Buchführung in seinem Zuständigkeitsbereich durchsetzen können?
„Einfach ist hier gar nichts“, sagt Rosenthal und listet weitere Fallstricke auf: Der Vorwurf, Siemens habe im Ausland Amtsträger bestochen, setze voraus, man habe es mit Amtsträgern im deutschen Sinn zu tun – die aber nicht unbedingt Amtsträger nach der Definition der jeweiligen nationalen Gesetze sein müssten. Auch den Begriff der Bestechung will Rosenthal genau unter die Lupe nehmen: Zähle dazu auch die „Landschaftspflege“ – also Zahlungen, die geleistet werden, wenn ein Projekt schon längst beendet sei?
Spitzfindigkeiten, die die Anklage ausbremsen sollen. Für die zählt bisher vor allem eines: Dass Ganswindt spätestens ab 2003 Hinweise darauf hatte, dass schwarze Kassen für Schmiergelder eingerichtet worden waren. Der ehrgeizige Ex-Manager habe wenig Ambitionen gezeigt, seinen korrupten Mitarbeitern auf die Finger zu klopfen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.
Ganswindt droht deswegen eine Geldbuße von bis zu einer Million Euro, außerdem Geld- oder sogar eine Haftstrafe, weil die Schmiergelder am Fiskus vorbei gezahlt wurden. Die schwerwiegendste Strafe wird in den Gerichtsunterlagen allerdings nicht aufgeführt: Wird der Ruf Ganswindts – der zurzeit als „Berater“ tätig ist – im Zuge des Prozesses demoliert, kann er seine berufliche Zukunft endgültig begraben. sun
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