Projekt Biss: Drei Erfolgsgeschichten im Großformat

In Szene gesetzt wie Filmhelden: Mit beeindruckenden Plakaten zeigt das Projekt Biss, wie ihren Verkäufern der Ausweg aus der Lebenskrise gelungen ist
München - Nun also Topmodel, auch ein netter Job. Christian Zimmermann lacht. Und zwar zweimal. Einmal in echt und einmal von einem großen Plakat herunter.
Der Münchner ist zusammen mit zwei seiner Kollegen auf einer Plakatserie zu sehen, die ab jetzt in ganz München hängt. Darauf wirken Christian Zimmermann, Abdulvahed Atchikzai und Frank Schmidt wie Helden aus einem Film. Stimmt auch fast, bloß: Der Film ist ihr Leben. Die drei Männer sind Verkäufer der Zeitschrift Biss.
Das Projekt, das Bürgern in sozialen Schwierigkeiten hilft, wirbt mit den Plakaten für seine Arbeit. Die Botschaft: „Mit Biss die Schattenseite verlassen“.
Dafür hat die Agentur Conrad Caine die Motive entwerfen lassen. Die Plakate zeigen drei der etwa 100 Biss-Verkäufer in strahlender Pose. Hinter ihnen liegen die schlimmen Ereignisse aus ihrer Vergangenheit. Die Konzeption, die Bilder und Werbefläche – das alles gab’s als „großzügiges Geschenk“ für Biss, wie Geschäftsführerin Karin Lohr sagt.
Insgesamt wurden 1700 Plakate gedruckt. Sie sollen „mit den Erfolgsgeschichten dieser drei Verkäufer anderen armen und ausgegrenzten Menschen Mut machen, sich an Biss zu wenden und Hilfe zu erfahren“, sagt Karin Lohr. Außerdem will sie „alle Menschen auf die Straßenzeitschrift aufmerksam machen und sie motivieren, Biss zu kaufen.“
Schließlich sind sowohl die Verkäufer als auch der Verein auf die Einnahmen angewiesen. Jeder Biss-Verkäufer hat seine eigene Geschichte. Drei davon lesen Sie hier.
Auferstanden aus Ruin
Frank Schmidt hat sich eine Spedition aufgebaut, hat gutes Geld verdient und es gerne ausgegeben. Dann geht alles schief: Der Unternehmer muss Konkurs anmelden. Da beginnt seine Flucht. Er läuft jahrelang davon, vor den Gerichtsvollziehern, vor dem Finanzamt, vor seinem riesigen Schuldenberg. Frank Schmidt zieht von Stadt zu Stadt, er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Mal verkauft er Modeschmuck, mal arbeitet er als Busfahrer. Gut leben kann er davon nicht. Er ist obdachlos, schläft mal hier mal dort.
In Berlin beginnt er, eine Straßenzeitung zu verkaufen. Bald geht er nach München und fängt bei Biss an. Dort arbeitet er nun seit 14 Jahren und baut seine Schulden ab. Auf seinem Plakat sieht man die Last der Schulden als Papierberge hinter ihm, darauf sitzt ein Adler als Symbol für den Fiskus, am Himmel kreist ein Pleitegeier.
Dem Krieg entkommen
Abdulvahed Atchikzai kennt sich aus mit edlem Garn: Er hat früher in Afghanistan als Stoffhändler gearbeitet. Und das sehr erfolgreich, wie er sagt. 1978 hat der Erfolg ein Ende. In Afghanistan putschen die Kommunisten, später marschiert die Sowjetunion in das Land ein. Abdulvahed Atchikzai kämpft im Krieg. Als die Sowjets abziehen, stürzt das Land in einen Bürgerkrieg. Und Abdulvahed Atchikzai stürzt mit. Der ehemals gut situierte Stoffhändler hat alles verloren und fürchtet um sein Leben.
1991 kommt er als Asylant nach Hamburg, wo er als Taxifahrer arbeitet. Weil er zu wenig verdient, landet er in einem Notquartier in München. Und dann bei Biss. Seit etwa zweieinhalb Jahren verkauft der die Zeitschrift nun. Auf seinem Plakat ist hinter ihm der Krieg zu sehen: die Panzer und Hubschrauber. Und brennende Stoffe, als Symbol für sein zerstörtes Geschäft.
Wieder fest im Leben
Christian Zimmermann hat goldene Zeiten erlebt: Als Schmiedekünstler verkauft er jahrelang selbstkreierten Schmuck vor allem an Touristenorten in Südeuropa. Er reist immer mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern. Bis seine Liebe sich von ihm trennt. Für Christian Zimmermann bricht die Welt zusammen. Er kann nicht mehr arbeiten. Seine Kunst, sein Schmuck, sein Leben – in allem steckt seine Familie. Ohne sie kann er nicht mehr weitermachen. Er lässt seinen Wohnwagen in Portugal stehen, lebt hier auf der Straße. Die Kosten für den stehengelassenen Wohnwagen holen ihn ein. Er steht am Abgrund.
Heute ist Christian Zimmermann einer der besten Biss-Verkäufer. Seit 17 Jahren ist er dabei. Er macht auch eine Stadtführung für Biss. Hinter ihm auf dem Plakat liegt das Meer, in dem seine Kunst und sein Wohnwagen untergehen.