"Potenzial für 3000 Wohnungen": Kann München diesen Leerstand verwandeln, um das Wohnproblem zu lösen?
Über 1,8 Millionen Quadratmeter Bürofläche stehen in München leer. Das sind rund neun Prozent der Büros in der Stadt. Von vielen verwaisten Bürohäusern weiß der Münchner Architekt Daniel Hock (59). Er sagt: "München muss mehr 'Office to Housing' machen bei diesem Wohndruck und der aktuellen Wohnungsnot".
Sein Büro, Kiessler Architekten, ist mit einem Neubau auf der Theresienhöhe mit gutem Beispiel vorangegangen: Es hat einen Gewerbebau um Wohnen erweitert. Kiessler Architekten hat das Rischart-Backhaus, Theresienhöhe 40, mit einer gläsernen Backstube und 100 Werkswohnungen für Azubis und andere Mitarbeiter gebaut – und so innenstadtnah Produktion und Wohnen vereint. In den zweiten Stock der Fabriketage zog das Büro gleich selbst ein.

AZ: Herr Hock, in dem modernen Rischart-Backhaus sitzt nun auch ihr Architekturbüro. Wie kam das?
DANIEL HOCK: Wir hatten schon länger ein neues Büro gesucht. Mein Kollege kam auf die Idee, aus Bogenhausen mit auf die Theresienhöhe zu ziehen.
Ihr Fabrik-Chic-Ambiente erinnert an New York oder Berlin. In den Fenstern auf der anderen Seite des Hofs sehen Sie den Bäckern beim Brotbacken zu.
Ab mittags räumen die Bäcker schon auf. Dann gehen die Lichter aus. Es war immer mein Traum, in einem Loft zu arbeiten. Es ist ein Luxus. 5,50 Meter hoch ist jetzt unsere Decke. So etwas bekommt man in München nicht, außer man baut es.

Sie sind Experte für den Umbau von Büros in Wohnungen. In München haben Sie unter anderem zwei laufende Projekte.
Wir bauen in München ein Bürohaus in der Maxvorstadt und ein großes Gebäude in Obergiesing in Wohnungen um. In das alte Bürohaus einer Versicherung aus den 60er-Jahren in der Erzgießereistraße 14 haben wir für die Stadibau viele kleine Wohnungen für Lehrer, Krankenschwestern, Polizisten gebaut, also für Staatsbedienstete. Mit 225 Wohnungen ist das ein großes Projekt.
Wo liegt die Herausforderung?
Wer Büros in Wohnungen umwandelt, stellt zuerst einmal die Frage: Will ich da wohnen? Ist an dem Ort eine Freiraumqualität da? Eine große Herausforderung ist: Man braucht für Wohnungen mehr Treppenhäuser für die Erschließung als in Bürogebäuden, die in der Regel über lange Flure erschlossen werden.
Was ist die Lösung?
Man baut Außentreppenhäuser oder man baut zweigeschossige Maisonette-Wohnungen, um Flure einzusparen. Oder man nutzt die bestehenden Flursysteme für kleine Wohnungen wie Appartements.

Wie haben Sie es in der Maxvorstadt gemacht?
Der frühere klassische Verwaltungsbau konnte in kleine Wohnungen aufgeteilt werden. Schallschutz und Brandschutz haben wir ertüchtigt. Vor die Vorder- und die Rückseite des Gebäudes haben wir eine Schicht von zwei Metern gesetzt – und so schöne Balkone und Loggien geschaffen. Was vorher Keller war, haben wir als Souterrain aktiviert und manchen Wohnungen kleine Gärten gegeben. Das ist ganz schön geworden.
Ihr aktuelles "Home statt Office"-Projekt in Obergiesing wird im Frühjahr 2026 fertig. Die ehemalige University of Maryland in der Soyerhofstraße bauen sie in ein Wohnhaus um.
Der frühere Verwaltungsbau der US-Army ist ein Riesenhaus mit einem 1000 Quadratmeter großen Innenhof in einer super Lage an der U-Bahn Mangfallplatz. Das Haus stand seit Abzug der Amerikaner Mitte der 90er Jahre fast leer. Es gab Zwischennutzungen, auch als Requisitenlager für die staatlichen Theater, etc. Es wäre ein Wahnsinn gewesen, dieses wichtige Zeitdokument abzureißen.
Ursprünglich ist das Gebäude ein Nazi-Bau.
Es wurde 1939 errichtet, ein Teil der Propagandamaschinerie. Ab 1945 war es als Teil der US-Zivilverwaltung ein Symbol für den Wiederaufbau und für den Anfang der neuen Demokratie in München nach der grauenvollen NS-Zeit. Hier war lange ein amerikanisches Einkaufszentrum drin und der amerikanische Radiosender AFN. Das Gebäude ist deshalb sehr positiv belegt.

Was machen Sie daraus?
Hier entstehen 140 Wohnungen mit eigener Garage. Es ist eine Baustelle, die lang dauert, eine schwierige Baustelle, weil die Substanz des Gebäudes deutlich schlechter war, als untersucht.
Laien denken, das größte Problem beim Umbau von Bürohäusern in Wohnraum ist es, Licht reinzubringen.
Das muss man individuell betrachten. Grundsätzlich erleichtern die hohen Raumhöhen von Büros die Arbeit für die Sicherstellung von genügend Licht, Lüftung, Brandschutz und Schallschutz. Dünne Rippendecken, die man in den 50er-Jahren gebaut hat, kann man verstärken.

Ursprünglich sollte aus dem leer stehenden Siemens-Hochhaus in Sendling ein Wohnturm werden. Warum ist das Projekt gescheitert?
Den Grund dafür kenne ich nicht. Es gibt manchmal baurechtliche Tücken, die es der Bauplanung schwer machen. Doch die Befreiungen und Abweichungen zugunsten des Wohnungsbaus sind gerade deutlich erleichtert worden. Es macht in hohem Maße Sinn, ein Bürohaus zu erhalten und zum Wohnen umzunutzen. Wir sehen das Potenzial im Bestand. Wir müssen da ran.
Was halten Sie vom Wohnen im Gewerbegebiet: vom Aufstocken von Supermärkten für Wohnraum?
Im Gewerbegebiet waren bisher nur Hausmeisterwohnungen erlaubt. Wenn ich Wohnungen baue, muss ich jedoch auch dafür sorgen, dass die Leute Freiflächen haben, oder einen Kindergarten in der Nähe. Doch im innerstädtischen Bereich, oder der Thalkirchner Straße, im Glockenbachviertel oder im Schlachthofviertel, könnte ich jeden größeren Supermarkt aufstocken. Gerade neu konzipiert, wäre das eine tolle Sache.
Wie merken Sie, dass das Thema "Office to Housing" die junge Architektengeneration umtreibt?
Ich merke es an den Bewerbungen. Ich sehe es an den Entwürfen, die Studentinnen und Studenten und junge Architekten ihren Bewerbungen beilegen. Umbau ist das Thema.
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