Postchef Appel geht in München in die Charme-Offensive
München - Es waren schon die ganz harten Bandagen, mit denen Post und die Gewerkschaft Verdi während des vierwöchigen Streiks gekämpft haben. Beide Seiten warfen sich gegenseitig erpresserische Methoden vor. Und es stellte sich die Frage: Wie würde man nach Ende des Tarifkonflikts je wieder normal zusammenarbeiten können? Seit Dienstag ist der längste Streik der Konzerngeschichte beendet. Post-Chef Frank Appel hätte bei seinem Besuch am Freitag in München ein breites Grinsen aufsetzen können – er ist klarer Sieger des Konflikts. Stattdessen übt sich der gebürtige Hamburger im Scherbenaufsammeln.
Über den Tarifabschluss sei er „erfreut“, sagt der 53-Jährige. Seitenhieb auf die Gewerkschaft: keinen. Ist wohl auch nicht nötig. „Das Unternehmen ist deutlich wettbewerbsfähiger geworden“, sagt Appel. Kein Wunder: Die neuen 49 Regionalgesellschaften „Delivery“, in die neue Paketzusteller künftig ausgelagert werden, bleiben unangetastet. Dort werden die Zusteller laut Verdi rund 20 Prozent weniger verdienen – verhindern konnte Verdi diese Zwei-Klassen-Lösung trotzdem nicht.
Das Unternehmnen brauchte einen "Veränderungsimpuls"
Der Post-Chef sagt: „Wir machen bloß kleinere Versprechen“ Laut Appel ist das auch gut. Sein Unternehmen, das bis in die 90er Jahre ein reiner Staatsbetrieb war, hätte einen „Veränderungsimpuls“ gebraucht, um im Wettbewerb bestehen zu können: „Wir nehmen niemandem etwas weg, wir machen neuen Mitarbeitern nur kleinere Versprechen.“
Zu kleine Versprechen, sagen Kritiker. Vor allem in Anbetracht dessen, dass die Post zwar die Löhne nach dem neuen Abschluss nur moderat steigen lässt (zunächst um 2 Prozent, ab Oktober 2017 noch einmal um 1,7 Prozent), gleichzeitig seinen Aktionären eine um fünf Cent höhere Dividende auszahlen will (dann 0,85 Euro je Aktie).
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Appel widerspricht: Man habe im letzten Jahr 18 Milliarden Euro Löhne gezahlt und nur eine Milliarde Dividenden. „Wir retten die Welt nicht, indem wir die Augen verschließen“, führt er weiter aus. Die Löhne bei der Post seien eben zu hoch, deshalb könne man neuen Mitarbeitern diese Gehälter nicht mehr anbieten. Die Postmitarbeiter, die vier Wochen in den Ausstand gegangen sind, dürften trotzdem frustriert sein. Dass es nach einer derart harten Auseinandersetzung nicht einfach ist, wieder aufeinander zuzugehen, muss auch Appel zugeben. Er glaubt aber, dass die Wunden in den meisten Niederlassungen schnell heilen werden – selbst wenn die Spartengewerkschaft DPVkom ihrerseits angekündigt hat, vielleicht selbst noch in den Ausstand zu treten. Sie kritisiert, dass der Verdi-Abschluss nichts zur steigenden Arbeitsbelastung der Postler sagt.
Rückstand werde schnell aufgearbeitet
Gelassenheit zeigt der Post-Vorstand auch beim Thema Briefrückstände. Etwa 60 Millionen Briefe und 1,75 Millionen Pakete seien liegengeblieben. „Über die Hälfte des Rückstandes haben wir schon aufgearbeitet“, sagt Appel. Mehraufwand sei man aus der Weihnachtszeit ja gewohnt.
Es wird schnell klar an diesem Nachmittag: Appel will nach vorne schauen. Die Konkurrenz vor allem im Paketgeschäft ist groß, in Großbritannien baut Amazon seinen eigenen Lieferdienst aus – der sich die besten Adressen rauspickt und den unattraktiven Teil der britischen Post überlässt. Wie darauf reagieren? „Indem man besser ist.“
Post experimentiert mit Datenbrillen
Die Post experimentiert in Holland mit Datenbrillen, die das Postsortieren effizienter machen sollen („Bis zu 25 Prozent“). In München testet die Post, Pakete direkt in Autos liefern zu lassen. Jüngere Menschen seien derartigen Techniken gegenüber durchaus aufgeschlossen, glaubt Appel.
Irgendwann könne auch die Lieferung per Drohne kommen: „Das wird aber noch ein bisschen dauern“, sagt der 53-Jährige. Für das Massengeschäft seien die Flugkörper ohnehin nichts.
Die große Postrevolution lässt also noch auf sich warten. Erstmal bleiben Scherben.
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