Pollen-Plage: Gegen sie ist kein Kraut gewachsen
MÜNCHEN - Heftige Allergie-Saison – wer nicht zum Arzt geht, kann sogar Asthma bekommen. Der Münchner Allergologe Ulf Darsow erklärt im AZ-Interview, woran das liegt.
AZ: Derzeit bekommt man den Eindruck, dass die halbe Stadt schnieft – welche Pollen fliegen gerade?
ULF DARSOW: Im Mai hatten viele Menschen massive Beschwerden. Der vergangene Winter war relativ lang. Dadurch verzögerte sich die Baumblüte, mit der Folge, dass die entsprechenden Pollen gleichzeitig und explosionsartig auftraten. Und jetzt beginnt gerade die Gräserpollen-Saison. Das geht direkt ineinander über.
Das heißt, Sie haben Hochkonjunktur in Ihrer Allergologie-Abteilung?
Zu uns kommen deutlich mehr Menschen mit allergischem Bronchial-Asthma als im Vorjahr. Und sie haben deutlich stärkere Symptome.
Also stimmt es, dass die Pollen von Jahr zu Jahr aggressiver werden?
Das ist eine schwierige Frage. Man kann das verstärkte Auftreten der Beschwerden einerseits auf die Pollen selbst zurückführen, andererseits aber auch auf die Patienten.
Inwiefern?
Es könnte sein, dass die Pollen eine ungute Wechselwirkung mit Luftschadstoffen wie Rußpartikeln eingehen. Zudem gibt es andere Pollen als früher – wie etwa von der Ambrosiapflanze, die sich langsam ausbreitet. Andererseits werden viele Patienten immer empfindlicher – zu ihren bereits bestehenden Allergien kommen neue dazu. Vielleicht wirkt beides parallel.
Wie stark ist die Zahl der Allergiker gestiegen?
Zehn bis zwanzig Prozent der erwachsenen Bundesbürger geben an, dass sie an einer Allergie leiden. Eine vielzitierte Studie an britischen Schulkindern zeigte eine Zunahme er allergischer Erkrankungen von drei bis fünf Prozent im Jahr 1964 bis auf über zehn Prozent im Jahr 1989. Die Sensibilisierungsraten, also der Nachweis von Allergie-Antikörpern, liegen auch in Deutschland noch deutlich höher. Neuere Untersuchungen bestätigen diesen Trend.
Kann eine Allergie auch im Erwachsenenalter plötzlich auftreten, wenn man bislang verschont war?
Ja, das nennt man Spätmanifestation. Solche Fälle treten auch häufiger auf als früher. Es ist aber noch nicht geklärt, wie es dazu kommt.
Woher weiß ich, ob ich eine Allergie habe oder doch nur eine Erkältung?
Akut kann man das kaum unterscheiden – teils erkennt man es erst im zweiten Jahr, wenn die Symptome zur selben Zeit wieder auftreten. Auch Allergie-Tests können trügerische Auskunft geben. Nicht jeder positive Test bedeutet tatsächlich eine Allergie. Er gibt nur Auskunft darüber, ob Antikörper vorhanden sind. Das heißt aber nicht, dass Symptome auftreten müssen. Das Testergebnis kann auch lebenslang bedeutungslos sein. Sicher kann man nur sein, wenn man bei einem Test den allergenen Stoff direkt in die Nase sprüht.
Wenn ich sicher bin, eine Allergie zu haben, muss ich mich dann behandeln lassen?
Auf jeden Fall. Denn ansonsten kann sich eine Allergie zum Bronchial-Asthma entwickeln.
Interview: Julia Lenders
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