Plötzlich aufgetaucht: Bunte Punkte weisen auf ein großes Münchner Problem hin

Seit einigen Tagen sind auf Gehwegen in Giesing zahlreiche bunte Punkte und Schriftzüge zu sehen. Was auf den einen oder anderen als weitere Schmiererei wirkt, hat allerdings einen ernsten Hintergrund.
André Wagner |
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Mit bunten Punkten und Schriftzügen soll auf das Problem von weggeworfenen Kippen hingewiesen werden.
Mit bunten Punkten und Schriftzügen soll auf das Problem von weggeworfenen Kippen hingewiesen werden. © André Wagner

Wer die Tage in Giesing durch die Deisenhofener Straße läuft, denn wird an einigen Stellen eine große Anzahl bunter Punkte aufgefallen sein. Hin und wieder ist auch der Schriftzug "(d)eine Kippe war hier"zu lesen. Wer für die farbigen Punkte verantwortlich ist, ist nicht bekannt, das Ansinnen wird allerdings schnell klar. Jeder einzelne Punkt, und in die Deisenhofener Straße sind es hunderte, steht für eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe und für ein großes Müllproblem in München.

Mit bunter Farbe wollen Umweltaktivisten auf ein großes Münchner Problem hinweisen.
Mit bunter Farbe wollen Umweltaktivisten auf ein großes Münchner Problem hinweisen. © André Wagner

Im Vergleich zu all den vielen Schmierereien und Graffiti, die man sonst in München zu Gesicht bekommt, steckt hinter dieser Sprühaktion durchaus Sinn.

Bunte Punkte weisen auf weggeworfene Kippen hin

Darüber, wie viele Kippen in München jedes Jahr einfach so fallengelassen werden, gibt es keine genauen Zahlen. Allerdings sammelten bei einer Aufräumaktion im September 2022 die freiwilligen Helfer auf einer Uferstrecke der Isar von ungefähr 1,3 Kilometern Länge unglaubliche 29.000 Zigarettenkippen zusammen. Es bedarf wenig Fantasie, sich auszumalen, wie viele abertausende Kippen pro Jahr in München in der Umwelt, statt im Aschenbecher entsorgt werden.

Allein in Deutschland landen nach einer Berechnung der Hamburger Stadtreinigung täglich 140 Millionen Kippen auf Wegen, Plätzen und Straßen. Der Umweltschutzverband BUND gibt an, dass in Deutschland pro Jahr rund 106 Milliarden Zigaretten geraucht werden – pro Jahr. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) landen zwei Drittel aller gerauchten Zigaretten auf dem Boden.

An jedem blauen Punkt lag zuvor eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe.
An jedem blauen Punkt lag zuvor eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe. © André Wagner

Laut WHO werden weltweit jährlich 4,5 Billionen Zigarettenkippen in Seen, Ozeane und Böden geworfen. Eine unvorstellbare Summe, die einem Volumen von 60.000 Schiffs-Containern entspricht. Pro Jahr könnte man nur mit Zigarettenkippen 30 riesige Frachtschiffe befüllen. 

So viel Bußgeld kann eine weggeworfene Kippe kosten

Trotz dieser erschreckenden Zahlen scheint das achtlose Wegschnippen von Kippen auf der Straße oder in der Natur gesellschaftlich akzeptiert. Straffrei ist es jedoch nicht: Wer in München dabei erwischt wird, wie er seine Kippe einfach so wegschnippt, dem kann ein Bußgeld in Höhe von 55 Euro drohen.

Für die Natur sind die Folgen einer achtlos weggeworfenen Zigarette aber wesentlich schlimmer. Insgesamt beinhaltet ein Zigarettenstummel mehrere tausend schädliche Stoffe (darunter auch zahlreiche krebserregende Stoffe), diese reichen von Nikotin und Blei, über Cadmium und Chrom bis hin zu Arsen oder Benzol. 

Im Zigarettenfilter bleibt der größte Teil dieser Giftstoffe in den Fasern hängen und sammelt sich dort hochkonzentriert an. Kommen diese Filter dann mit Wasser in Berührung, z. B. bei Regen lösen sich die Stoffe und treten in das Wasser und letztlich in die Umgebung über. Besonders schnell geht dies beim Nervengift Nikotin. Bereits nach einer halben Stunde in einer Pfütze hat sich etwa die Hälfte des im Filter enthaltenen Nikotins im Wasser gelöst. So wie auch die anderen gelösten Gifte kann es am Ende ins Erdreich und im Grundwasser landen.

"Eine einzige Zigarettenkippe kann 1000 Liter Wasser für kleine Wassertiere vergiften"

Eine einzelne, weggeworfene Zigarette kann bis zu 60 Liter Wasser verseuchen. Umgerechnet auf die 29.000 am Isarufer gesammelten Kippen wären das 1.740.000 Liter Wasser. Damit könnte man ein Schwimmbad mit den Maßen 50 m x 10 m x 3,5 m füllen.

Sogar vor einem Mülleimer lagen Kippen.
Sogar vor einem Mülleimer lagen Kippen. © André Wagner

Noch gravierender beschreibt der BUND die Folgen weggeworfenen Zigarettenstummel: "Eine einzige Zigarettenkippe kann 1000 Liter Wasser für kleine Wassertiere vergiften und unbewohnbar machen", erklärte BUND-Meeresmüllexpertin Dorothea Seeger dem Bayerischen Rundfunk. Dieser Fakt ist auch auf einem Gehweg in der Deisenhofener Straße zu lesen.

Bei Facebook stieß die bunte "Punkte-Aktion"überwiegend auf positives Echo. Unter anderem sind dort Kommentare wie "Super Aktion! Kippen sind giftig und gehören in den Mülleimer!", "Sehr geile Aktion"oder "Das ist ja mal ne super Aktion! So viele Raucher schmeißen ihre Kippen ohne nachzudenken auf den Boden, da kann man ruhig mal drauf aufmerksam machen"zu lesen.

Wer die Punkte und Schriftzüge auf den Gehweg gesprüht hat, ist nicht bekannt. Das Münchner Baureferat, welches für die Straßenreinigung verantwortlich ist, steckt nicht dahinter, wie es der AZ auf Anfrage verriet.

Wer auch immer hinter dieser Aktion stecken mag, er hat die Münchner farbenfroh auf ein großes Problem hingewiesen, welches mit etwas Anstand und Eigeninitiative keines sein müsste.

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  • Newi83 vor einer Stunde / Bewertung:

    München ist eine einzige Müllhalde!

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  • AufmerksamerBürger vor 2 Stunden / Bewertung:

    Eine sehr vorbildliche Aktion und ein ausgezeichneter Artikel, der nicht nur die Verschmutzung des öffentlichen Raums aufzeigt, sondern auch die immense Schädlichkeit für kleine Lebewesen sehr gut erklärt.

    Man sollte über ein öffentliches Rauchverbot nachdenken, das Wegwerfen von Zigarettenkippen mag zwar mit einem Ordnungsgeld belegt werden können, aber der Vollzug ist schwierig.
    Bei einem Rauchverbot kann besser durchgegriffen werden, der Gesundheit dienlicher ist es allemal.

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  • Kaiserin vor einer Stunde / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AufmerksamerBürger

    Absolut richtig!!!
    Es sollte in der Öffentlichkeit gar nicht mehr geraucht werden ( dann wäre der Gestank von den Kiffern auch endlich weg ) und am besten gleich mit KI-Gesichtserkennung die sofort Namen und Adresse weiterleitet undn automatisch einen Bußgeldbescheid schickt analog und digital!

    Dieser Dreck vergiftet uns alle zusätzlich noch zu Mikroplastik dazu!

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