"Pfadfinder mit scharfen Waffen" - Harun P. im Terrorcamp

Harun P. steht in München vor Gericht, weil er als islamistischer Terrorist in Syrien gemordet haben soll. Im Prozess berichtet er von seiner Reise in ein syrisches Terrorcamp. Das vermutlich abenteuerlichste daran: das angebliche Motiv.
von  dpa
Der 27-jährige Harun P. soll als Mitglied der Gruppe "Junud Al-Sham" am Terror in Syrien beteiligt gewesen sein.
Der 27-jährige Harun P. soll als Mitglied der Gruppe "Junud Al-Sham" am Terror in Syrien beteiligt gewesen sein. © dpa

München - Als Harun P. im Herbst 2013 aus München in den syrischen Bürgerkrieg reiste, will er nicht gewusst haben, was dort vor sich ging. "Ich hatte gar keine Vorstellung von Syrien, weil ich mich damit gar nicht richtig befasst hatte", sagt er am Freitag vor dem Oberlandesgericht München. "Eine weiße Stelle auf der Landkarte?" "Absolut!"

Von Terrororganisationen wie dem "Islamischen Staat" habe er damals nichts gehört, wohl aber von Gräueltaten des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Und dagegen habe er etwas unternehmen wollen. Er habe helfen wollen - mit Spenden vielleicht, mit Essen und Kleidung. "Ich bin mehr davon ausgegangen, bedürftigen Leuten da helfen zu können", sagt er.

Dem Vorsitzenden Richter Manfred Dauster fällt es sichtlich schwer, das zu glauben. "Hatten sie die Vorstellung, sie werfen ein Schwesternhäubchen über sich?" fragt er, und ob er "schmutzige Unterwäsche sortieren" wollte von einem Container.

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Dauster fragt auch: "Was wollten Sie denn machen? Nach Damaskus fragen, klingeln und sagen Baschar, das geht so net?" Eine wirkliche Antwort fällt dem 27 Jahre alten Angeklagten, dem die Bundesanwaltschaft gemeinschaftlichen Mord, versuchte Anstiftung zum Mord und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Syrien vorwirft, darauf nicht ein. "Da sterben Menschen wie die Schmeißfliegen", sagt Richter Dauster. Das habe dem Angeklagten doch klar sein müssen. "Da riecht's nach Tod - und dann sitzen Sie da wie das Opferlamm."

Er habe gedacht: "Lass es auf Dich zukommen. Mal schauen, wie es da wirklich ist", sagt dagegen der Angeklagte. Schockiert gewesen sei er nicht, als er dann auf dem Weg ins Terrorcamp zum ersten Mal Waffen sah. "Ja, Sie wollten ja auch in den Dschihad ziehen", sagt der Richter". "Richtig", stimmt ihm der Angeklagte zu, von dem es ein Video gibt, in dem er dem Rechtspopulisten Michael Stürzenberger in der Fußgängerzone droht, er werde ihm den Kopf abschneiden, und sagt: "Al Qaida ist das Beste, was es gibt".

Harun P. ist, wie sein Anwalt Adam Ahmed betont, der erste Syrien-Rückkehrer und mutmaßliche islamistische Terrorist, der vor einem deutschen Gericht umfassend aussagt. Schon am ersten Prozesstag hat er stundenlang Angaben über seine Radikalisierung in Deutschland gemacht, am Freitag dann ging es ans Eingemachte.

Stunde um Stunde berichtet der junge Mann von seiner abenteuerlichen Reise nach Syrien, davon zum Beispiel, dass er erst in einem Traktor fuhr und dann in einem überdimensionalen Kochtopf über einen Grenzfluss gezogen wurde. "Malerischer wäre gewesen, Sie wären auf einen Esel da gestiegen - das hätte auch zur Landschaft gepasst", sagt der Richter trocken.

Die Zeit im sogenannten "Deutschen Haus" in den Bergen im türkisch-syrischen Grenzgebiet beschreibt Harun P. als weitgehend ereignislose Zeit, geprägt von Beten, Joggen, Wach- und Putzdiensten - und ab und an mal einem Fußballspiel. "Fußball spielende junge Männer auf syrischen Bergeshöhen", sagt Richter Dauster süffisant: "Zwei Monate Pfadfinder - allerdings mit scharfen Waffen".

Dass er an Waffen ausgebildet wurde und darin, Häuser zu stürmen, gibt Harun P. zu. Er habe gelernt, eine Kalaschnikow zusammenzubauen. Zudem habe er im "Deutschen Haus", in dem noch weitere junge Männer aus Deutschland ausgebildet wurden, eine Pumpgun und eine Handgranate erhalten.

Er bestreitet aber, zum Mord an einem 16 Jahre alten Mädchen angestiftet zu haben. Er habe zwar zu Mitgliedern der Terrorgruppe Junud Al-Sham gesagt, sie könnten das Mädchen aus Deutschland umbringen. Das sei aber im Zuge einer ihn nervenden Auseinandersetzung gefallen und er, der in Deutschland schon verurteilt wurde, weil er eine Frau verprügelt hat, habe das nicht so gemeint. "Es war nicht ernst gemeint", sagt Harun P.: "Ich war jetzt nicht scharf darauf oder so."

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