Pegida-Parolen im Faktencheck

Diesen Montag um 18 Uhr sagt München „Nein“ zu Fremdenhass und Hetze. Lesen Sie hier, warum die „Patrioten Europas“ im Unrecht sind.  
von  Natalie Kettinger
Am heutigen Montag ab 18 Uhr demonstrieren die Münchner vor der Staatsoper gegen Pegida und die kruden Thesen der Anti-Islam-Bewegung.
Am heutigen Montag ab 18 Uhr demonstrieren die Münchner vor der Staatsoper gegen Pegida und die kruden Thesen der Anti-Islam-Bewegung. © Bündnis Bellevue Di Monaco

Diesen Montag um 18 Uhr sagt München „Nein“ zu Fremdenhass und Hetze. Lesen Sie hier, warum die „Patrioten Europas“ im Unrecht sind.

München - "München ist bunt, München ist die Weltstadt mit Herz: Zu München gehört Vielfalt in jedem Bereich. Ich werde alles dafür tun, dass das so bleibt“, sagt OB Dieter Reiter – und bezieht damit Stellung gegen die Bewegung der „Patrioten Europas gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz Pegida.

„Sollte es zu einer nennenswerten Pegida-Mobilisierung in München kommen, appelliere ich schon jetzt an alle Münchnerinnen und Münchner sich zu fragen, ob man die Ziele und Befürchtungen, die im Namen der Bewegung zum Ausdruck kommen, wirklich teilt, sagt Reiter. „Die Fakten sprechen jedenfalls eine andere Sprache – 99 Prozent der Muslime in München leben friedlich und gut integriert in unserer Stadtgesellschaft.“

Deshalb gebe er – ausnahmsweise – der Bundeskanzlerin recht: „Hier ist kein Platz für Hetze und Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern kommen.“

Zumal die kruden Pegida-Parolen dem Realitätscheck tatsächlich nicht standhalten:

Behauptung: Deutschland wird von Flüchtlingen „überflutet“

Fakten: Die Zahl der Asylbewerber in der Bundesrepublik nimmt zwar seit längerem zu. 2013 stellten 127 000 Menschen hier einen Asylantrag, bis Ende 2014 werden insgesamt 200 000 Anträge von Schutzsuchenden erwartet.

Doch das sind lediglich 0,4 Prozent der 51,2 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind – und in den 90ern lag die Zahl der Asylbewerber hierzulande deutlich höher: Rekordjahr war 1992 mit rund 438 000 Asylanträgen.

Deutschland steht mit der Zahl der Anträge EU-weit heute zwar an der Spitze. Wird dieser Wert allerdings in Verhältnis zur Bevölkerungszahl gesetzt, landen wir hinter Staaten wie Schweden oder Malta.

Außerdem wird nur ein Teil der Schutzsuchenden in der Bundesrepublik als Flüchtling anerkannt und bekommt ein Bleiberecht: Zuletzt lag die Quote bei knapp 30 Prozent.

Der aktuelle Zuwachs kommt ohnehin nicht überraschend. Experten klagen, Bund und Länder hätten sich nur nicht rechtzeitig darauf eingestellt.

Bayern: Im Freistaat werden bis Ende des Jahres rund 35 000 Asylbewerber erwartet. Das sind zwar deutlich mehr als 2007 (knapp 3000 Personen) oder 2010 (6000 Menschen) – aber längst nicht so viele wie 1992 oder 1993 als fast 60 000 bzw. 47 000 Menschen hier Zuflucht suchten.

Die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge in Bayern sind Syrien, Nigeria, Eritrea, Afghanistan und Somalia.

München: Laut „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“ kommen nur 1,56 Prozent der Flüchtlinge, die neu Asyl beantragen, nach München. Ende Juni 2014 erhielten hier 4357 Menschen Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Auch diese Zahl war während des Bosnienkrieges fast doppelt so hoch.

Behauptung: Die Zuwanderung nimmt zu und das ist schlecht

Fakten: Deutschland ist unter den Industriestaaten inzwischen das gefragteste Zuwanderungsland hinter den USA. Jeder Fünfte stammt mittlerweile aus einer Zuwandererfamilie – 16,3 Millionen Menschen. Die größten Gruppen sind Menschen türkischer und polnischer Herkunft. Mehr als die Hälfte der Migranten hat die deutsche Staatsangehörigkeit – 8,9 Millionen Menschen. Das heißt, es gibt 7,4 Millionen Menschen ohne deutschen Pass.

Aber: Die Bundesrepublik ist dringend auf Zuwanderung angewiesen. Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln haben ausgerechnet, dass sonst die Zahl der bereits jetzt händeringend gesuchten Fachkräfte bis 2030 um weitere 2 Millionen sinkt.

München: Von 1,46 Millionen Münchnern haben 14,3 Prozent einen Migrationshintergrund, 25,4 Prozent sind Ausländer. Die größte Gruppe der Münchner ohne deutschen Pass stammt aus anderen EU-Staaten (194 000 Personen), die zweitgrößte Gruppe (knapp 40 000 Personen) kommt aus der Türkei.

Viele von ihnen arbeiten im Pflegebereich. Im städtischen Münchenstift etwa hatten vergangenes Jahr 21,3 Prozent der Pflegekräfte keine deutsche Staatsangehörigkeit. Ohne sie würde das Pflegesystem der Stadt zusammenbrechen.

Behauptung: Ausländer belasten unsere Sozialkassen

Fakten: Die Ausländer, die in Deutschland leben, zahlen insgesamt deutlich mehr Steuern als sie an Sozialleistungen vom Staat beziehen: 2012 brachten sie den Sozialkassen laut aktueller Studie einen Überschuss von 22 Milliarden Euro ein.

München: Die ausländische Bevölkerung ist im Schnitt jünger als die einheimische, außerdem gehen Ausländer laut Statistik seltener zum Arzt, so die „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“. In München kommt hinzu, dass viele ältere Migranten die Stadt verlassen: 2013 zogen 8200 Menschen im Alter von 45 bis 65 und 1270 Über -65-Jährige fort. Diese Menschen nehmen die Leistungen der Krankenkasse nicht mehr in Anspruch, obwohl sie eingezahlt haben.

Zudem sind nur 2,5 Prozent der Münchner ohne deutsche Staatsangehörigkeit 75 Jahre oder älter. Das bedeutet: Ausländer nehmen in München auch kaum Pflegeleistungen in Anspruch – und von den Münchner Rentnern waren 2013 lediglich 9,8 Prozent Ausländer.

Behauptung: Es droht eine Islamisierung der Gesellschaft

Fakten: In der Bundesrepublik leben rund vier Millionen Muslime. Das sind etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Rund 45 Prozent der Muslime haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Mehr als 99 Prozent dieser Menschen sind gemäß Verfassungsschutz keine Islamisten und sehen den Islam damit nicht als politische Ideologie. Nur eine Minderheit der muslimischen Frauen in Deutschland trägt nach eigenen Angaben ein Kopftuch. Und nur etwa zwei Prozent der muslimischen Mädchen nehmen laut einer Studie aus religiösen Gründen nicht am gemischten Schwimmunterricht in der Schule teil.

München: In unserer Stadt leben etwa 121 000 Muslime – laut Oberbürgermeister Dieter Reiter zum Großteil „friedlich und gut integriert“.

 

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