Pasing: Protest gegen Prügelkids
MÜNCHEN - Die Stadt will ein Heim für dissoziale Jugendliche in der Scapinellistraße bauen – jetzt wehren sich die Nachbarn gegen das Projekt. Ein Mann hat dafür sogar einen ganz persönlichen Grund
„Die Leute haben Angst, in der Nähe von so etwas zu wohnen“, sagt Toni Weiß. „So etwas“ – damit meint der Pasinger das sozialpsychiatrische Jugendheim, das der Stadtrat im vergangenen Jahr beschlossen hat. In der Scapinellistraße soll die geschlossene Einrichtung für „dissoziale Jugendliche“ im Alter von zwölf bis 17 Jahren entstehen. Bis maximal drei Monate lang sollen Kinder und Jugendliche, die eine Gefahr für sich oder andere sind, dort untergebracht werden.
Das Heim macht den Anwohnern Angst – eine benachbarte Eigentümergemeinschaft klagt gegen den Bauvorbescheid beim Verwaltungsgericht – ihr Anführer: Toni Weiß. 95 Leute haben sich schon angeschlossen, laut dem Anwalt der Gemeinschaft, Maximilian Rehrl, werden es wohl noch mehr.
„In der Nähe von so einer Einrichtung ist das Risikopotenzial höher – bei allem Schutz“, sagt Toni Weiß. Abgesehen davon habe das Projekt wirtschaftliche Nachteile für die Nachbarn. „Die Wohnungen sind dadurch im Wert auf jeden Fall gemindert.“
Anwalt Rehrl führt zwei Hauptargumente gegen das Heim ins Feld. Nummer eins: Sicherheits-Bedenken: „Im Vorbescheid müssten konkrete Angaben zum Schutz der angrenzenden Wohn- und Arbeitsbevölkerung gemacht werden“, sagt er. Geplant ist zwar, dass die Freibereiche der zwei geplanten Wohngruppen von einem bis zu 3,50 hohen Zaun umgeben sein sollen. „Es finden sich aber keine Ausführungen zu hinreichenden Auflagen für einen Vollzug – also darüber, wie die Anlage betrieben wird.“
Der geplante Zaun führt den Anwalt zu Argument Nummer zwei: Die Anlage habe „das Gepräge einer Haftanstalt“ – und damit in einem „Mischgebiet“ nichts zu suchen. Auf diesen Einwand kann sich die Eigentümergemeinschaft aber juristisch nicht berufen. Ihre Wohnanlage liegt gerade nicht mehr im formal festgelegten Bebauungsplan-Gebiet. Deswegen hofft Rehrl, dass sich noch Nachbarn von der anderen Straßenseite anschließen – deren Anwesen liegen nämlich im Plangebiet.
Rudolf Borger (72) will die Klage auf jeden Fall unterstützen: „Wir haben alle Angst“, sagt der Rentner. „Was, wenn einer durchdreht und zum Amokläufer wird?“ Borger hat schlechte Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2003 geriet er am Rande eines Grillfests mit randalierenden Jugendlichen aneinander. Sie stammten aus einer offenen Jugendeinrichtung, die bisher an eben der Stelle untergebracht ist, wo bald das sozialpsychiatrische Heim stehen soll. Ein 13-Jähriger rammte Borger eine Gabel in den Kopf – sie musste herausoperiert werden.
„Natürlich kann man die Sorge der Anwohner nachvollziehen“, sagt Jugendamtsleiterin Maria Kurz-Adam. Es handele sich bei dem Heim aber um eine „sichere Betreuungsform“. Den Vergleich mit einer Haftanstalt lässt sie nicht gelten: „Das ist eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe – kein Gefängnis. Die Stadt kann gar kein Gefängnis bauen.“ Ein Bürgerbeirat soll eingerichtet werden. Eigentlich ist geplant, dass heuer schon mit dem Bau begonnen wird. 2011 soll alles fertig sein. Es wird ein konfliktreiches Jahr in der Scapinellistraße.
Julia Lenders
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