Das Paradies in Trudering – zwei junge Münchner und ihr Antiquitäten-Juwel

Audio von Carbonatix
"Trudering ist hässlich und spießig? Dachten wir uns auch. Dann haben wir unser kleines Haus zur Miete gefunden und ein kleines Paradies daraus gemacht.“ Mit diesen Worten meldet sich Leopold Lorenzoni auf einen Leser-Aufruf bei der AZ, um an dieser Serie teilzunehmen. Für sie haben wir uns auf die Suche nach Menschen in (un)gewöhnlichen Wohnsituationen gemacht und durften hinter die Haustüren blicken.
Den Tipp habe er von einem Freund erhalten, der ihm gesagt habe: „Da müsst ihr mitmachen.“ Denn Lorenzoni ist stolz auf seinen Partner, Felix Heinzelmann. Er habe ihr Zuhause zu etwas ganz Besonderem gestaltet. Und wirklich: Ein Besuch ähnelt einer (Zeit)reise nach Frankreich. Terrakotta-Töpfe mit Zitronen-, Orangen- und Olivenbäumen säumen das Haus und die Balustrade auf der Terrasse. Schmucklilien umrahmen eine antike, hölzerne Gartenbank im englischen Landhausstil, die Heinzelmann in einem Restepostenladen entdeckt hat.
Eine originale, französische Straßenlaterne hängt an einem Apfelbaum. Heinzelmann hat sie restauriert, angemalt, vergoldet und mit warmen LED-Lichtern verkabelt. Heinzelmann, 29 Jahre alt, hat Modedesign studiert, arbeitet in München nun aber als Florist. Er hat ein Faible für Historie, für Ästhetik, für den Erhalt der Dinge, für Antiquitäten. Letztere spürt er bei Ebay Kleinanzeigen und auf Märkten auf.

Sein Partner Lorenzoni (30) hat Wirtschaftspsychologie und Ökonomie studiert und arbeitet bei einer Unternehmensberatung, die Kulturinstitutionen berät. Er mag klassische Musik und kocht gerne, ist aber auch für die Schwerstarbeit zuständig: „Ich habe den Garten umgegraben und Felix hatte das Gesamtkonzept im Blick.“
„Felix kauft die Möbel ein und ich schaue, wie wir sie dann nach Hause schaffen“
Die beiden Schwaben haben sich vor zehn Jahren während des Studiums kennengelernt. Sie ergänzen sich. „Felix kauft die Möbel ein und ich schaue, wie wir sie dann nach Hause schaffen“, neckt Lorenzoni. Ihr Traumhaus haben sie vor zwei Jahren per Zufall über Ebay Kleinanzeigen gefunden und es zunächst für eine „Fake-Anzeige“ gehalten. Doch sie hatten Glück. „Unsere Vermieter, die nebenan wohnen, sind einfach toll und lassen uns viel verändern und ausprobieren“, sagt Heinzelmann.
Der Garten, der um das Haus verläuft, ist mediterran gehalten. In einem Bereich wachsen Basilikum, Salat, Tomaten, Auberginen und Zucchini. Es gibt eine Sitzecke mit antiken Möbeln. „Wir haben alles mit viel Mühe und Geduld umgestaltet“, erzählt Heinzelmann. Schon mit wenig finanziellen Mitteln lasse sich etwas Schönes realisieren.

Das Paar hat sich einen Rückzugsort, eine Wohlfühloase geschaffen. Das Fünfziger-Jahre-Haus ist eines der Originalhäuser aus der ersten Bebauungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg, erzählt das Paar. „Wir nennen es Minihaus, oder Tinyhouse, weil es innen viel kleiner ist, als es von außen wirkt. Jeder Raum ist nur etwa 13 Quadratmeter groß.“
Die Eigenheiten des Hauses bewahren
Vieles in dem typischen Nachkriegsbau sei mit viel Liebe improvisiert gebaut und gestaltet worden. So finden sich im Garten etwa runde Steinkugeln, die nach dem Krieg aus Trümmern in München geborgen und dort wiederverwendet wurden. Lorenzoni und Heinzelmann wollen die Eigenheiten des Hauses bewahren. Die Holzböden, die vertäfelten Türen, die Villen-Überbleibsel - all dies haben sie bestehen lassen und die Innenräume um ihr antikes Mobiliar ergänzt.
Vieles davon stammt aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aus Frankreich, oder England. „Die Gegenstände, mit floralen Ornamenten und Handwerksgeschick, verbinden für mich das Drinnen und das Draußen“, so Heinzelmann. Er möge diese Epoche besonders gerne. „Ikea-Möbel haben für mich einfach keinen Flair, sie sind alle gleich.“ Doch eine Truhe aus der Renaissance, wie eine in der Küche des Paares steht, die habe Charakter. „Unsere Sachen, die haben gelebt, in jedem einzelnen steckt Geschichte drin.“
So reihen sich in der Wohnung, die aus Schlaf- und Wohnzimmer, Küche sowie Bad besteht, außergewöhnliche Antiquitäten und Sammlerstücke aneinander. Über dem Schlafzimmerbett blicken etwa drei Damen aus ihren Gemälden, die von hölzernen Rahmen umgeben sind. „Das Dreiergespann habe ich in unserem ersten Frankreich-Urlaub entdeckt“, so Heinzelmann stolz.

Gemälde für 60 Euro
Sie hätten „heftig gestritten“, weil die Gemälde 60 Euro kosteten und die finanziellen Mittel knapp waren. „Letztendlich haben wir sie auf dem Autodach nach Hause gefahren.“ Lorenzoni erzählt lachend: „Felix kam freudestrahlend mit den Gemälden vom Flohmarkt. Dann mussten wir mit einem Auto, vollgestopft mit Antiquitäten, über die Grenze. Ich habe nur gesagt: Oh là là .“
Auf der Anrichte in der Küche, die Flur und Wohnzimmer verbindet, stehen Zeichnungen, alte französische Staatsdokumente, sowie Delfter Fayence-Vasen und -Teller, von denen Heinzelmann fasziniert ist. „Sie sind chinesischem Dekor nachempfunden, entstanden aber in Europa.“ Wohnen bedeutet für ihn der Ort, an dem man einfach sein kann. Das Zuhause sei Spiegel des Inneren einer Person, der Interessen und Leidenschaften. Für Lorenzoni ist es auch ein Wohlfühlplatz, an dem man die Schnelllebigkeit und die Wurzellosigkeit des Alltags vergessen kann. „Für uns ist das Haus das blühende Herz unseres Lebens. Hier findet unser Leben statt, es ist der Mittelpunkt.“

Die Sammelleidenschaft seines Partners teilt er inzwischen. Man sei zusammen gewachsen. „Felix ist bei uns der Künstler, ich sehe das nicht, was er in einem Objekt sieht“, sagt Leopold Lorenzoni. Die Einrichtung, - im Stil eklektizistisch, historisch, gemütlich -, sei besonders und nicht an Trends gerichtet. „Es ist doch schön, Möbel zu haben, die einen nicht an Ikea am Samstag erinnern und Stress auslösen“, meint er und lacht.
Der Duke überm Sofa
Mit jedem Objekt verbinden sie eine Erinnerung. Etwa mit dem Klapptisch aus dem 18. Jahrhundert, der im Wohnzimmer steht. Ebenso wie mit dem französischen Duke, der über dem Sofa als Malerei thront. Für Heinzelmann war es bei dem goldgerahmten Bild und einem weiteren Rahmen aus dem 17. Jahrhundert Liebe auf den ersten Blick. „Es ist einfach ein Gesamtkunstwerk geworden.“ Lorenzoni muss wieder schmunzeln, denn er hat den großen Rahmen nach Hause gefahren, in der S-Bahn, zur Wiesnzeit. „Es sind viele Fotos entstanden mit Fremden, die wiederum ein Foto von sich selbst in dem Rahmen machen wollten.“ Er selbst verbindet den Duke heute mit klassischer Musik im Kopf, erzählt er.

Statt Pragmatismus und Funktionalität steht in diesem Truderinger Haus Ästhetik im Vordergrund. Das Paar hat auch aus diesem Grund keinen Fernseher, Filme werden über den Laptop angeschaut. Selbst der Kleiderschrank steht in der Abstellkammer, gemeinsam mit dem Staubsauger. „Solche Möbel und Geräte sehen einfach grottenhässlich aus“, sagt Heinzelmann. Deshalb mussten sie der Schönheit weichen. Die beiden Männer haben inzwischen auch ein Dachzelt auf ihrem Wagen. „Jetzt können wir aus unseren Urlauben noch mehr nach Hause transportieren“, sagt Lorenzoni und zwinkert seinem Felix zu.
- Themen:
- eBay