"Papa könnte nicht stolzer auf dich sein" – Emotionale Worte bei Gedenkfeier für NSU-Opfer

Audio von Carbonatix
Als Mandy Boulgarides ihre Schwester ansieht, bricht ihr die Stimme. "Ich wünschte, du hättest mehr unbeschwerte Kindheit erlebt. Es waren einfach zu wenige Jahre mit Papa." Mandy und Lina sind die Töchter von Theodoros Boulgarides. Der griechisch-stämmige Münchner wurde 2005 von der rechtsterroristischen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) erschossen.
München: Gedenkveranstaltung für NSU-Opfer am Stachus
Neben dem 41-Jährigen ermordeten die drei Täter zwischen 2000 und 2006 noch acht weitere Menschen aus rassistischen Motiven. Im Jahr 2007 wurde zudem eine Polizistin Opfer der Terroristen. Zum Todestag von Theodoros Boulgarides organisierten die Angehörigen gemeinsam mit der städtischen Fachstelle für Demokratie eine Gedenkveranstaltung. Dafür wurde am Sonntag eine Bühne gegenüber vom Karlstor aufgestellt.

Wer an diesem Tag vom Stachus aus in die Neuhauser Straße will, kommt zwangsläufig an der Gedenkfeier und ihren Besuchern vorbei. Kein Zufall, wie die Veranstalter erklären, denn sie wollen Sichtbarkeit schaffen. Das schaffen sie spätestens bei der Eröffnung: Zu griechischer Musik zeigt eine Tanzgruppe des Pontos-Vereins ihren traditionellen Tanz. 18 Männer und Frauen tanzen im Gleichschritt, schwingen die Arme und wirbeln mit ihren langen Gewändern im Kreis. Keine leichte Aufgabe bei 30 Grad im Schatten – den es auf dem Platz aber kaum gibt.
Dominik Krause ist der erste Redner – er kritisiert das damalige Vorgehen der Sicherheitsbehörden
Dann betritt Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) die Bühne: "Als Bürger dieses Landes schäme ich mich dafür, was der Familie Boulgarides und den anderen Familien und Freundinnen der betroffenen Opfer durch die Sicherheitsbehörden widerfahren ist." Viele Fragen seien nach wie vor ungeklärt, sagt Krause. Viele der Angehörigen sind an diesem Sonntag gekommen. So auch Mandy Boulgarides. Als sie an das Mikrofon tritt und zu erzählen beginnt, wird sie immer wieder von tosendem Applaus und "Bravo"-Rufen unterbrochen.

"Wir sind in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es keinen Hass auf die anderen gab. Wir kannten das Gefühl von Zugehörigkeit, von Sicherheit. Doch draußen wartete ein anderer Albtraum." Neben der Tat an sich empfindet Mandy Boulgarides auch die Zeit danach als eine Tortur: "Statt Schutz erhielten wir Verhöre."
Und weiter: "Keine psychologische Betreuung, kein Krisenteam, aber Fragen. Fragen, ob unser Vater unsittlich war, spielsüchtig oder kriminell sei. Es wurde in alle Richtungen ermittelt, nur nicht in die richtige." Für sie ist klar: "Was wir erlebt haben, war kein tragischer Ermittlungsfehler, es war ein wohlüberlegtes systemisches Versagen."

Starke Emotionen am Ende von Mandy Boulgarides Rede
Ihre letzten Worte richtet die junge Frau an ihre Schwester, denn in ihr erkenne sie ihren Vater wieder. Lina Boulgarides steht im Publikum und lauscht mit Tränen in den Augen den Worten ihrer großen Schwester: "Papa könnte nicht stolzer auf dich sein, als ich es heute bin." Am Ende lächelt Mandy Boulgarides ihre Schwester an und sagt mit bestimmter Stimme: "Sie haben die Mädchen in uns gebrochen, aber sie brechen nicht die stolzen Frauen, die wir heute sind."