OP kostet ihn sein Lachen
MÜNCHEN - Schalen verwechselt: Bei einer Nasen-Operation spritzt ein Arzt seinem 21-jährigen Patienten Desinfektions- statt Betäubungsmittel ins Gesicht. Der junge Zahnarzt leidet bis heute – und erhält 50000 Euro.
„Die Leute halten mich für kalt und gefühllos, weil ich nicht mehr lächeln oder andere Emotionen zeigen kann“, klagt Dimitrios S. Im Juli 2006 sollte der damals 21-Jährige wegen Atemproblemen in einer Münchner Uniklinik an der Nasenscheidewand operiert werden. Ein normalerweise völlig harmloser Eingriff. Doch der Arzt verwechselt die offenen Schalen auf der Ablage neben dem OP-Tisch und spritzt seinem Patienten Desinfektionsmittel statt ein Lokal-Anästhetikum ins Gesicht.
Der Fehler wird schnell bemerkt, die OP abgebrochen. Sonst hätte es für Dimitrios S. katastrophal enden können. Auch so sind die Folgen schrecklich genug. Das Gesicht des jungen Mannes schwillt so stark an, dass er kaum noch zu erkennen ist.
Drei Jahre danach sind seine Gesichtszüge zwar wiederhergestellt, aber bei jeder Bewegung der Gesichtsmuskulatur spürt er eine schmerzhafte Spannung. „Ich kann auch die Augen nicht schließen“, schilderte er gestern der 9. Zivilkammer des Landgerichts seine Leiden. Vor zwei Monaten schwoll sein Gesicht erneut stark an, nachdem er Aspirin genommen hatte. Auch dies möglicherweise eine Folge des Arztfehlers.
Wie es dazu kommen konnte? Eine echte Erklärung bleibt der Arzt im Prozess schuldig. „Es kann sein, dass ich die Schalen verwechselt habe“, erklärt er lapidar. Kein Wort der Entschuldigung für seinen einzigartigen Fauxpas.
Beide Parteien haben gesucht und nichts vergleichbares gefunden. Desinfektionsmittel ins Gesicht gespritzt – das hat es bislang in der Geschichte der Medizin noch nicht gegeben. Dementsprechend unabwägbar sind künftige Folgen, die das Gift im Körper noch verursachen könnte.
Dimitrios S. aber hat noch große Pläne. Der 24-Jährige hat in Athen Zahnmedizin studiert. „Ich bin fertig und warte nur noch auf die Ergebnisse.“ Er möchte sich in seiner Heimatstadt München als Spezialist für ästhetische Zahnmedizin niederlassen.
„Ich wollte mit meinem Lächeln arbeiten“, sagt er und verzieht auch bei diesen Worten keine Miene. 75000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz verlangte Dimitrios S. von Arzt und Krankenhaus. „Ich habe mich erst spät zur Klage entschlossen. Erst als nach längerer Zeit noch immer kein Wort der Entschuldigung gekommen war.“
Das Gericht schlug 50000 Euro als Vergleich vor, um alle Ansprüche abzugelten. Nach kurzem Zögern stimmte Dimitrios S. zu. Der Arzt bestand auf einer Widerrufsfrist. Seine Haftpflichtversicherung muss dem Vergleich noch zustimmen.
John Schneider
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