Trotz Schutzangeboten: Die Wiesn ist für Frauen kein sorgenfreier Ort

Viele Frauen erleben auf dem Oktoberfest Übergriffe, Angst und Ohnmacht. Seit über 20 Jahren ist die Initiative "Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*" vor Ort, um Betroffenen beiseitezustehen. Am Montag zogen sie eine erste Bilanz nach einer Woche Wiesn.
von  Sophia Willibald
Beim traditionellen Fahrgeschäft "Teufelsrad" nutzen Täter immer wieder die Gelegenheit, Frauen heimlich unter das Dirndl zu filmen oder zu fotografieren. Nicht selten stellen sie die Aufnahmen später auch ins Netz.
Beim traditionellen Fahrgeschäft "Teufelsrad" nutzen Täter immer wieder die Gelegenheit, Frauen heimlich unter das Dirndl zu filmen oder zu fotografieren. Nicht selten stellen sie die Aufnahmen später auch ins Netz. © Daniel von Loeper

K.O.-Tropfen, heimliches Filmen unter das Dirndl, sexuelle Übergriffe bis zu Vergewaltigungen – Frauen können sich auf dem größten Volksfest der Welt längst nicht so sorglos bewegen wie männliche Besucher. Genau das kritisiert Sozialpädagogin Kristina Gottlöber vom Verein IMMA (Initiative für Münchner Mädchen) am Montag bei der Vorstellung der Halbzeitbilanz der Aktion "Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*".

"Frauen sollen genauso auf der Wiesn feiern können, trinken können und flirten können", so Kristina Gottlöber. Doch davon ist die Wiesn weit entfernt. Um Frauen und Mädchen vor Ort zu unterstützen, engagiert sich der Verein IMMA gemeinsam mit AMYNA, einer Organisation, die sich für den Schutz von Mädchen und Jungen vor sexueller Gewalt einsetzt sowie der Beratungsstelle Frauen*notruf (089 763737) mit einer Initiative.

Die Sozialpädagogin Kristina Gottlöber vom Verein IMMA. Gemeinsam mit anderen Vereinen und ihrem Team ist sie während der Wiesn aktiv, um Frauen nach Übergriffen zu unterstützen oder im besten Fall davor zu schützen.
Die Sozialpädagogin Kristina Gottlöber vom Verein IMMA. Gemeinsam mit anderen Vereinen und ihrem Team ist sie während der Wiesn aktiv, um Frauen nach Übergriffen zu unterstützen oder im besten Fall davor zu schützen. © privat

"Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*" stellt neue Zahlen vor

Seit 2003 sind diese Vereine während der Festwochen auf der Theresienwiese zum Schutz für Frauen. Hinter dem Schottenhamel-Zelt nahe der Bavaria, beim Eingang "Erste Hilfe" steht täglich von 18 bis 1 Uhr ein Beratungsteam bereit. Freitag, Samstag und Sonntag, sowie am 2. und 3. Oktober schon ab 15.30 Uhr.

Von Anstich bis zum zweiten Wiesnsamstag zählte die Initiative 197 Fälle. Im Vergleich dazu waren es im Vorjahr 181 – den Anstieg bewerten die Vereine als "normale" Schwankung.

Ein großer Teil der Fälle (69) von heuer betrifft Verlustmeldungen: Personen, die ihre Gruppe verloren haben, oder denen Handy, Schlüssel oder Zimmerkarte fehlen – sei es durch Verlust oder Diebstahl.

In zwölf Fällen suchten Wiesnbesucherinnen am sogenannten "Safe Space" der Vereine Hilfe, nachdem sie sexualisierte oder körperliche Gewalt erlebt hatten. In sechs weiteren Fällen bestand der Verdacht auf K.O.-Tropfen.

Radlerhosen am "Teufelsrad"

In den letzten Jahren kam es auch wiederholt vor, dass Frauen unter das Dirndl gefilmt oder fotografiert wurde – wie etwa am Fahrgeschäft "Teufelsrad". Einige Täter veröffentlichen die Aufnahmen später im Internet. Um Frauen zu schützen, bietet die Betreiberin des Rads Radlerhosen an, die sie unter das Dirndl ziehen können.

https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/oktoberfest/beliebte-wiesn-attraktion-so-will-das-teufelsrad-frauen-vor-upskirting-schuetzen-art-1079009

Kristina Gottlöber von IMMA meinte dazu am Montag: "Ich find's tragisch, dass man sich überhaupt eine Radlerhose drunter ziehen muss." Trotz wertvoller Tipps und Schutzangebote bleibt die Wiesn für Frauen kein sorgenfreier Ort. Dabei betonte die Vereinsmitarbeiterin immer wieder: Die Schuld oder Verantwortung darf niemals den Frauen zugeschoben werden.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.