Ein Anwohner berichtet von den Schattenseiten des Oktoberfests

Martin Stanek lebt in unmittelbarer Nähe zur Wiesn und erlebt die Schattenseiten des Oktoberfests hautnah: Lärm, Dreck und respektlose Besucher prägen seinen Alltag. In der AZ erzählt er von skurrilen Erlebnissen, und warum er die Wiesn trotzdem liebt.
von  Maja Aralica
Rund um das Oktoberfest hinterlassen Besucher ihre Spuren. Leider nicht immer nur in Form von leeren Bierflaschen.
Rund um das Oktoberfest hinterlassen Besucher ihre Spuren. Leider nicht immer nur in Form von leeren Bierflaschen. © IMAGO/MICHAEL BIHLMAYER

Es ist kurz nach 22.30 Uhr, als Martin Stanek nach dem Wiesnbesuch am Eröffnungssamstag in seine Straße einbiegt. Weit hat er es nicht, etwa zehn Minuten zu Fuß. Die Nacht ist angenehm kühl, nach einem der letzten heißen Sommertage des Jahres. Taxifahrer und Rikschas warten auf Kunden, zwei Männer urinieren auf einen Grünstreifen. "Fair enough", denkt sich Stanek und geht weiter. Doch vor seiner Haustür wartet die nächste Überraschung: Zwei junge Männer pinkeln direkt an den Eingang. Während der Wiesn ist das für Stanek Alltag.

So wohnt es sich bei der Wiesn

Seit drei Jahren wohnt er mit seiner Familie in direkter Wiesnnähe. Seinen echten Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Als Münchner liebt er das Oktoberfest. "Das ist wie Weihnachten für mich", sagt er. Doch die Schattenseiten kennt er inzwischen gut: rücksichtslose, betrunkene Besucher, Lärm und Dreck.

"Eigentlich ist es eine coole Sache", sagt er über seinen Wohnort. Wenn der Trachtenumzug durch die Straße zieht, macht das ganze Wohnhaus Weißwurstfrühstück und stellt sich an den Straßenrand. "Die Leute, die da durchgehen, sind ja größtenteils nett", sagt er. Schließlich freuen sich alle auf die Wiesn. "Aber wenn sie zurückgehen, dann sind das irgendwie echt andere Menschen."

16 Tage im Jahr ist es eine Challenge

Während der Wiesn ist vor allem eines gefragt: Geduld. "16 Tage im Jahr ist das eine echte Challenge“, sagt Stanek. Betrunkene liegen auf dem Gehweg, man muss über sie steigen. Manche schaffen es sogar ins Wohnhaus, schlafen auf Rollern oder halten ein Schäferstündchen in der Tiefgarage.

"Die Leute reißen Blumenkübel aus und werfen mit Glasflaschen", erzählt Stanek. "Die Straßenreinigung funktioniert eigentlich gut, aber die machen nur die Gehsteige und die Straße sauber.", so Stanek.

Diese Zeit ist wahnsinnig

Seit letztem Jahr können Wiesn-Anwohner Verschmutzungen direkt online über das städtische Portal machmuenchenbesser.de melden. Stanek hat das bislang noch nicht ausprobiert.

Sein Nachbar hat mit einer Europalette und einem Fahrradständer versucht, den Vorgarten abzusperren. Genutzt hat es wenig. Vor seinem Haus findet er täglich Urinflecken und sogar menschlichen Kot. "Ich frage mich immer, wie geht das? Wie kann man sich da hinsetzen, einfach auf den Gehweg?", so Stanek ungläubig. "Es stinkt. Es ist unfassbar, diese Zeit ist wahnsinnig."

Rücksichtslose Wiesn-Besucher

Auch Lärm und Licht gehören dazu – Martinshorn, Menschenmassen, blinkende Fahrgeschäfte. "Aber das sind alles Sachen, die mich schlussendlich gar nicht so stören", sagt Stanek. "Mich stört eher dieses Miteinander von Leuten, die auf die Wiesn gehen und dann den Respekt nicht haben vor dem, was da ist und Dinge kaputtmachen und klauen."

Die Polizei ruft er nicht, es bringt seiner Meinung nach wenig. "Wenn ich im Erdgeschoss leben würde, würde ich mich mit dem Gartenschlauch hinstellen", sagt er und lacht. Viel bringen würde es wahrscheinlich nicht. "Dann spritzt du die einmal nass und am nächsten Tag sind es wieder andere."

Das weiß man ja, wenn man hierherzieht

Stanek wünscht sich mehr Kontrolle durch Polizei und Stadt. Zwar sind die Straßen rund um den Bavariaring offiziell nur für Anwohner freigegeben, doch Taxis und Rikschas fahren regelmäßig durch – unkontrolliert. Eine stärkere Präsenz der Polizei auch abseits der Mozartstraße wäre wünschenswert. "Dass man das auch als Anwohner genießen kann. Weil ich möchte deswegen nicht wegziehen", so Stanek. "Das weiß man ja, wenn man hierherzieht." Er fügt hinzu: "Aber meines Erachtens kann man es regeln."

Promi-Sichtungen zur Wiesn

Ganz ohne Glamour geht die Wiesn in seiner Straße auch nicht vorbei: Mal huschen Promis vorbei, wie die Kaulitz-Brüder, mal sieht er betrunkene Promi-Wirte und Fußballer ins Taxi vor seiner Haustür steigen. "Das ist schon eine Schau", sagt Stanek und grinst.

Und doch: Der erste Montag nach der Wiesn fühlt sich wie eine Erlösung an. "Natürlich mit etwas Wehmut – aber wir denken uns dann immer: Wir haben’s geschafft.“

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