Ohu – so gefährlich ist das alte AKW an der Isar
MÜNCHEN - Nur 90 Kilometer von München entfernt: Der Atom-Meiler ist nicht gegen Flugzeugabstürze und Anschläge gesichert. Die AZ listet die Schwachstellen der Atomanalge auf.
Das Kernkraftwerk Isar 1 bei Ohu ist ein Fossil unter den deutschen Atomanlagen – seit 1979 produziert es Strom. Deswegen sollte es auch 2011 abgeschaltet werden. Doch die Laufzeitverlängerung beschert dem Uralt-Reaktor noch einmal acht weitere Jahre Lebenszeit – bis zum Jahr 2019. Der Betreiber, der Energiekonzern Eon und Bayerns Umweltminister Markus Söder sagen, dies sei kein Problem, Isar1 sicher. Das sehen viele Kritiker anders. Die AZ listet die in Gutachten des Tüv Süd und des Bundes Naturschutz genannten Schwachstellen auf:
Dünne Wände: Sie sind das Hauptargument der Kritiker. Denn die Wandstärken beim Reaktorgebäude von Isar 1 betragen nur 35 bis 120 Zentimeter – viel zu wenig, so Experten. Neue Anlagen sind mit Mauern von 180 Zentimeter geschützt. Und damit viel besser ausgelegt gegen den Absturz eines Flugzeuges – egal, ob absichtlich oder bei einem Terroranschlag
Da der Flughafen München nur etwa 50 Kilometer entfernt ist, befinden sich die Maschinen hier noch im Steig- oder Sinkflug. 120 Flugzeuge überfliegen den Meiler täglich in einem Abstand von weniger als einem Kilometer. Richard Mergner vom Bund Naturschutz: „Bei einem Absturz auf das Reaktorgebäude kommt es wahrscheinlich zur Kernschmelze.“ Auch ein österreichisches Gutachten warnte am Freitag vor einem Super-GAU an der Isar.
Dünner Sicherheitsbehälter:Auch der Sicherheitsbehälter, der den eigentlichen Reaktor umschließt – in dem die Kernreaktion abläuft – sei zu dünn und habe einen zu kleinen Durchmesser. Wenn sich bei einem Störfall in seinem Inneren starker Druck aufbaut, kann das Gefäß bersten – vor allem an seiner ärgsten Schwachstelle, der dünnwandigen stählernen Bodenwanne. Sie ist seit 20 Jahren bekannt, wurde zuletzt 2006 von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) moniert – ist aber nicht nachrüstbar. Auch hier wäre eine Kernschmelze die Folge – mit einer Vorwarnzeit von höchstens fünf Stunden, viel zu wenig für eine Evakuierung der Bevölkerung – je nach Windrichtung auch der im nur 90 Kilometer entfernten München.
Brennelemente schlecht geschützt: Das Lagerbecken für die gebrauchte Brennelemente liegt außerhalb des Sicherheitsbehälters, ist wegen der dünnen Wände des Reaktorgebäudes schlecht geschützt.
Nur ein Kühlkreislauf: Im Gegensatz zu modernen Atomkraftwerken besitzt Isar 1 nur einen Kühlkreislauf, eine Absicherung durch einen zweiten Kreislauf gibt es also nicht. Bei ihm liegen zudem die Rohre so dicht zusammen, dass man an einzelne im Fall eines Defektes nur schwer herankommt.
Veraltetes Notstromsystem: Die Anlage entspricht nicht modernen Sicherheitsstandards. Ganz generell ist für Isar 1 die Alterung von Werkstoffen, Systemen und Konzepten ein immer größeres Problem. Immerhin hat der Meiler schon 30 Jahre auf dem Buckel. Bis Ende 2008 gab’s 267 meldepflichtige Ereignisse. Michael Heinrich
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