Oh Baby! München boomt
MÜNCHEN - Die Stadt verjüngt sich, Frauen bekommen ihre Kinder später, aber dann mehr. Was hinter den nackten Zahlen steckt - und welche Rolle dabei das "München-Gefühl" spielt.
"Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter.“ Will man Novalis Glauben schenken, dann blickt München in eine rosige Zukunft. Schließlich geht es in den Kreißsälen der Stadt rund. Während bundesweit von Jahr zu Jahr die Geburten weniger werden, herrscht in München ein regelrechter Baby-Boom: 13652 Kinder kamen 2007 in München auf die Welt, 625 mehr als im Jahr zuvor. Das ist die Zahl. Doch warum ist die Stadt so fruchtbar?
„Das liegt sicherlich auch an der Bevölkerungszusammensetzung“, meint Bürgermeisterin Christine Strobl, selbst Mutter von zwei Kindern. Als Beweis dient – wie so oft – ein Blick in die Statistik: Die Stadt hat sich verjüngt. 10707 Menschen zwischen 18 und 30 Jahren zog es 2007 an die Isar – zum Studieren oder Arbeiten. Sie sind demnächst im besten zeugungsfähigen Alter. Schließlich sind die meisten Frauen 30 bis 35, wenn sie in München ein Kind bekommen – und katholisch.
Mütter zwischen 14 und 57 Jahren
Übrigens war 2006 die jüngste Mutter 14 Jahre alt, die älteste 57. Bei 337 Gebärenden konnte das Alter nicht ermittelt werden.
Bei der Ursachenforschung für den Baby-Boom meint Heiner Keupp, Professor für Psychologie und Soziologie an der LMU: „Für mich ist der Münchner Trend auf dem Hintergrund einer vergleichsweise guten Lebensqualität durchaus nachvollziehbar.“ Das sieht auch Bürgermeisterin Christine Strobl als Hauptgrund für die Geburtsfreudigkeit in der Stadt: „Die wirtschaftlichen Bedingungen sind sehr gut. Die Arbeitslosigkeit bei uns ist relativ niedrig, dafür ist das Job-Angebot groß.“
Der Job – das ist allerdings auch ein Grund dafür, kein Baby in die Welt zu setzen. Professor Keupp: „Die Mehrheit der jungen Erwachsenen hat den Wunsch, Kinder zu bekommen, und gleichzeitig haben sie in ihrem Alltagsleben keinen Platz.“ Diesen Platz zu schaffen, daran arbeitet die Stadt. „Wir haben eines der besten Kinderbetreuungsangebote“, sagt Christine Strobl. „Und wir investieren viel in neue Krippen.“ Das allein reiche jedoch nicht aus, „obwohl München ein differenziertes sozialpolitisches Programm für Familien mit Kindern hat“, lobt Professor Keupp. „Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass moderne junge Menschen Familie und Beruf vereinbaren können.“
"Die Stadt hat Ausstrahlung"
Wo das offenbar am besten geht, ist im Stadtbezirk 15. Kein Wunder, dass hier umgerechnet auf die Bevölkerung die meisten Kinder kommen. Denn in Trudering-Riem wurden vor allem junge Familien in die Neubauten gelockt.
Verlockend für die Zeugung an der Isar scheint aber auch ein gewisses „München-Gefühl“ zu sein: „Die Stadt hat Ausstrahlung“, findet Christine Strobl. Und das ganz offensichtlich auch im tristen November. Von Depression keine Spur: Die meisten Babys kommen hier im August auf die Welt.
Damit auch weiterhin junge Menschen das eine oder sogar mehrere wollen, mahnt Professor Heiner Keupp: „München darf sich auf dem eigenen Trend nicht ausruhen, denn es könnte vieles noch sehr viel kinderfreundlicher sein.“ Schließlich habe München nach wie vor einen Spitzenplatz bei den Single-Haushalten. Fakt ist: Nur in 16 Prozent aller Haushalte in der Stadt leben noch Kinder.
Kinder bedeuten auch finanziell rosige Zeiten
Um das zu ändern, schlägt Keupp vor: „Es wäre ein sinnvolles Ziel, durch den Transrapid eingesparte Gelder in familien- und kindergerechte Infrastrukturen zu investieren.“ Was das bewirkt, weiß er auch: „Die internationale Forschung zeigt, dass eine gute psychosoziale Lebensqualität – dafür ist Kindergerechtigkeit ein wichtiger Indikator – auch die ökonomische Entwicklung eines Gemeinwesens positiv beeinflusst.“
Im Klartext: Kinder bedeuten auch finanziell rosige Zeiten für die Stadt – ein goldenes Zeitalter.
Barbara Brießmann
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