Oberhachinger Bürgermeister baut Bremsschwellen auf und will blitzen – das sagen die Radler vor Ort

Zu schnelle Radfahrer sorgen in Oberhaching für Ärger. Bürgermeister fordert Radl-Blitzer und hat bereits Bremsschwellen installiert – wie die Radler vor Ort darauf reagieren.
Sophia Willibald
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Die Radlstrecke durch Oberhaching. Kurz vor der Kugler Alm hat die Gemeinde Bodenschwellen aufgebaut, um die Radler zum Abbremsen zu zwingen.
Die Radlstrecke durch Oberhaching. Kurz vor der Kugler Alm hat die Gemeinde Bodenschwellen aufgebaut, um die Radler zum Abbremsen zu zwingen. © Ben Sagmeister
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Die Sonne scheint, rauf aufs Radl und raus aus der Stadt – viele Münchner lieben Touren mit dem Zweirad im Sommer. Bei schönem Wetter strampeln Tausende Radfahrer Richtung Süden durch Oberhaching. Und das scheinbar mit ordentlich Tempo.

Dem Bürgermeister und der Gemeinde wird das zu bunt. Sie suchen nach Lösungen, um die "Radl-Rambos" in Schach zu halten. Die erste Maßnahme ist schon ergriffen worden, doch das reicht dem Bürgermeister noch nicht.

Stefan Schelle (CSU) will, dass zu schnelle Radfahrer erwischt und sanktioniert werden. "Dafür brauchen wir aus meiner Sicht technische Messgeräte, die gerichtsfest sind", sagt er der AZ. Einfach gesagt: Er wünscht sich ein Gesetz, das den Einsatz von Radl-Blitzern möglich macht.

Oberhaching hat genug von rasenden Radlern und setzt auf Bremsschwellen

Im Weiteren spricht er sogar von Radl-Entzug als Idee für eine Sanktionierung: "Wenn ich jemandem keinen Führerschein nehmen kann, dann nehme ich ihm halt das Rad für vier Wochen."

Er sei jedenfalls besorgt um die Sicherheit der Bürger. Am 6. August kam es laut Polizei zuletzt zu einem Unfall auf der Strecke: Eine Radlerin prallte mit einem entgegenkommenden Fahrradfahrer im Perlacher Forst zusammen und wurde dabei schwer an Hüfte und Arm verletzt.

Das Wirtshaus Hans Xaver in Oberhaching. Hinten erstreckt sich der Biergarten, die Kugler Alm. Der Radlweg führt direkt zwischen Parkplatz und dem Eingang vorbei.
Das Wirtshaus Hans Xaver in Oberhaching. Hinten erstreckt sich der Biergarten, die Kugler Alm. Der Radlweg führt direkt zwischen Parkplatz und dem Eingang vorbei. © Ben Sagmeister

Neben den offiziell erfassten Unfällen würde dem Bürgermeister immer wieder von brenzligen Situationen berichtet. Diese seien zwar glimpflich ausgegangen, aber dennoch gefährlich gewesen. "Letztens fuhr ein Mädchen in den Graben, weil eine Kolonne Rennradler mit Tempo 50 an der Familie vorbeipreschte", erzählt Schelle.

Vor dem Parkplatz der Kugler Alm hat die Gemeinde deshalb Bremsschwellen aufgebaut, die zum Abbremsen zwingen sollen. Die meisten fahren zwar langsamer, doch ganz den gewünschten Effekt erzielen sie offenbar nicht.

Radler umfahren die Schwellen

Als die AZ vor Ort ist, werden die Radler kreativ. Einige weichen auf den zehn Zentimeter breiten Asphaltstreifen am Rand aus, um den Plastikhügeln zu entkommen. Dabei fragt man sich, ob die rot gestreiften Warnpoller für das Manöver extra ein Stückerl weiter in den Kies verrückt worden sind.

Manche rumpeln ohne groß abzubremsen darüber, als wären die Hindernisse nicht da. Wieder andere nutzen die neue Installation als Hindernisparcours und hopsen gekonnt mit dem Radl über die Schwellen.

Der Spanier José Ramón Miranda (84) ist häufig auf dem Radlweg von München aus unterwegs. Die Bremsschwellen findet er gut, doch er wünscht sich mehr.
Der Spanier José Ramón Miranda (84) ist häufig auf dem Radlweg von München aus unterwegs. Die Bremsschwellen findet er gut, doch er wünscht sich mehr. © Ben Sagmeister

Da fällt ein älterer Herr auf, der mit seinem Rad ankommt, absteigt und es langsam über die Erhöhungen schiebt. Der 84-jährige José Ramón Miranda ist mit einem Freund auf dem Weg zum Mittagessen.

"Ich finde die Maßnahme in Ordnung, weil die Leute wie verrückt fahren. Und nun respektieren sie auch das nicht. Die fliegen hier vorbei" (lacht), "die steigen nicht ab wie ich – also ich weiß nicht, ob das was nutzt", so der Spanier. "Ich komme oft her und ich habe auf dieser Strecke Sachen gesehen ..." Er schüttelt besorgt den Kopf.

Die Münchnerin Julia Bruder (30) fährt selbst gerne Rennrad, dennoch findet sie die Schwellen grundsätzlich gut.
Die Münchnerin Julia Bruder (30) fährt selbst gerne Rennrad, dennoch findet sie die Schwellen grundsätzlich gut. © Sophia Willibald

Die Idee, zu schnelle Radfahrer zu blitzen, findet José Ramón Miranda gut. Die Schwellen würden offensichtlich nicht reichen, meint er. Julia Bruder (30) aus München sieht das anders: "Unrealistisch", sagt sie. Zu den Bremsschwellen hat sie eine geteilte Meinung:

"Ich fahre selbst Rennrad, aber ich finde das gut. Die rasen hier in ihren Kolonnen teilweise ziemlich heftig vorbei." Allerdings: "Es hält nicht davon ab, dass man gleich danach wieder Gas gibt", sagt sie. Nach einer besseren Lösung gefragt, überlegt sie kurz – dann sagt sie: "Die Menschen müssen einfach mehr Verstand zeigen, wenn sie hier fahren."

Rentner Gerhard Succi (80) findet, dass der Radfahrer der "undisziplinierteste Verkehrsteilnehmer" ist.
Rentner Gerhard Succi (80) findet, dass der Radfahrer der "undisziplinierteste Verkehrsteilnehmer" ist. © Ben Sagmeister

Wenig später kommt Rentner Gerhard Succi mit seinem schwarzen E-Bike vorbei. Fast täglich fahre er hier entlang, sagt er. Der 80-Jährige bestätigt die anfängliche Vermutung: "Jeden zweiten Tag schieben sie die Poller zur Seite und fahren einfach an den Schwellen vorbei." Radl-Blitzer fände er daher eine gute Idee. Auch in der Stadt könnten solche Kontrollen helfen, denn er findet: "Der Radfahrer ist der undisziplinierteste Verkehrsteilnehmer, den es gibt – leider."

Gennaro Hördt (34) fährt zweimal die Woche von München nach Taufkirchen in die Arbeit. Er glaubt nicht daran, dass sich ein Radl-Blitzer umsetzen lässt.
Gennaro Hördt (34) fährt zweimal die Woche von München nach Taufkirchen in die Arbeit. Er glaubt nicht daran, dass sich ein Radl-Blitzer umsetzen lässt. © Sophia Willibald

Ein junger, sportlicher Mann in grünem Trainingsshirt und mit verspiegelter Fahrradbrille kommt angesaust. Gennaro Hördt (34) fährt etwa zweimal pro Woche mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Taufkirchen. "Es nervt natürlich, wenn man wegen der Schwellen ein bisschen runterbremsen muss, aber im Endeffekt kann ich das verstehen. Die Situation hier ist auch für die Radfahrer gefährlich, wenn man mit 40 km/h durchfährt und Autos rückwärts ausparken."

Er ist der Meinung, dass sowohl Autofahrer als auch Radler mehr Rücksicht aufeinander nehmen sollten. "Dann bräuchte es die Dinger nicht." Zum Thema Radl-Blitzer sagt er: "Ich glaube, das lässt sich nicht umsetzen."

"Das ist erst der Anfang des Weges"

Bürgermeister Schelle scheint jedenfalls fest entschlossen. Er ist sich aber auch bewusst: "Das ist erst der Anfang des Weges." Die AZ fragt nach, ob noch andere Ideen infrage kämen, wie etwa, mehr Raum für die Radler zu schaffen und den Radweg auszubauen – sodass beispielsweise pro Richtung eine schnelle Spur und eine für gemütlichere Fahrer führt.

Der Bürgermeister sagt darauf mit einer Portion Sarkasmus in der Stimme: "Klar, wir können nächste Woche einen Golfplatz bauen, weil jemand gern Golf spielt – auf Gemeindekosten. Wir können auch übernächste Woche eine Rad-Autobahn quer durchs Oberland bauen – Millionen investieren, damit man sportlich Rad fahren kann. Völlig wurscht."

Das scheint also keine Option für ihn. Bleibt abzuwarten, was nun folgt. Mit den Bodenschwellen hat sich Oberhaching wohl zumindest wenig Feinde gemacht. Die einen begrüßen sie, die anderen ignorieren sie.

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