Alarmierende Studie: Junge Münchnerinnen meiden Bus und Bahn nachts

München: Drei Viertel der jungen Münchnerinnen meiden Bus und Bahn. Grüne, Die Linke und Kreisjugendring fordern Aktionen für echte und gefühlte Sicherheit abends unterwegs 
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Nachts allein am S-Bahnhof Marienplatz: Nur 22 von rund 600 jungen Frauen haben in einer Umfrage angegeben, sich nachts im Münchner ÖPNV sicher zu fühlen.
Nachts allein am S-Bahnhof Marienplatz: Nur 22 von rund 600 jungen Frauen haben in einer Umfrage angegeben, sich nachts im Münchner ÖPNV sicher zu fühlen. © imago/Werner Lerooy


Alarmiert und aufgeschreckt sind Stadtpolitik, Deutsche Bahn und die Münchner Verkehrsbetriebe: Drei Viertel aller jungen Frauen in München fühlen sich nachts in Bus und Bahn unsicher.
Diese Zahl ermittelte die aktuelle Studie des Münchner Kreisjugendrings (KJR).

Im Juli wurden dafür 1200 junge Münchner im Alter von 14 bis 27 Jahren zu ihrer Mobilität befragt.

Nur vier Prozent der jungen Frauen fühlen sich nachts im ÖPNV wirklich sicher

Die Daten zeigen: Nur 4 Prozent der Mädchen und jungen Frauen geben an, sich nachts in den öffentlichen Verkehrsmitteln wirklich sicher zu fühlen. Der direkte Vergleich: 28 Prozent der jungen Männer fühlen sich bei einer nächtlichen Fahrt mit dem ÖPNV im Münchner Stadtgebiet sicher.

Vom Kreisjugendring: Theresa Baum und Gerhard Wagner.
Vom Kreisjugendring: Theresa Baum und Gerhard Wagner. © Eva von Steinburg

Wir brauchen jetzt eine Sicherheitskampagne!


"Wir brauchen jetzt eine Sicherheitskampagne. Diese Zahlen sind nicht überraschend, doch sie erschrecken. Mobilität ist Daseinsfürsorge. Und so ist das nicht mehr ein ÖPNV für alle!", meint Theresa Baum, Referentin für Mobilität beim Kreisjugendring.

Sie meiden nachts Bus und Bahn

74 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 14 und 27 Jahren versuchen, nachts Bus und Bahn zu meiden. Sie weichen in der Nacht dann manchmal aufs Fahrrad aus – oder bleiben lieber gleich Zuhause.Damit sind sie nicht allein: Auch 37 Prozent der jungen Männer in München meiden nachts Bahn und Bus, weil sie sich dort nicht sicher fühlen.

238 Frauen sind beleidigt worden und 200 Männer

Von den 1200 jungen Befragten sind 200 Männer und 238 Frauen bereits persönlich beleidigt oder mit Worten angegriffen worden. Zudem haben sechs sich als divers definierende junge Menschen eine Beleidigung erlebt.

Studie sagt: Auch 21 Männer wurden sexuell bedrängt

157 Frauen und 21 Männer geben an, dass sie im ÖPNV schon sexuell bedrängt worden sind, zum Beispiel gegen ihren Willen berührt wurden. Auf die Frage: "Wurde dir in Bus oder Bahn schon einmal übergriffig oder sexuell aufgeladen hinterhergerufen?" – antworteten 328 junge Frauen mit "Ja" – das sind mehr als die Hälfte (57 Prozent) derer, die diese Frage beantwortet haben. 23 junge Männer haben angegeben, verbal übergriffig angeredet worden zu sein.

Bus und Bahn - ein gefährlicher Ort?

Unterwegs in S-Bahn, Trambahn, U-Bahn oder Bus kommen Menschen auch ungewollt eng mit anderen Menschen zusammen. Bei manchen erzeuge das "ein Unsicherheitsgefühl von Bus und Bahn als gefährlichem Ort", sagt Theresa Baum. Der Eindruck ist nicht falsch. Denn: Eine Studie der Fachstelle für Demokratie informiert: "Ein Viertel aller vorurteilsmotivierten Straftaten passieren im ÖPNV."

Anders als im öffentlichen Park, seien Bus und Bahn Orte, an denen man mit Maßnahmen viel bewirken könne, hebt der Kreisjugendring hervor. Im ÖPNV gibt es klare Regeln, Digitalanzeigen für die Fahrgäste – und natürlich auch Personal.

Mögliche Lösung: die App SafeNow

Mögliche Lösungen: Der Kreisjugendring unterstützt die Forderung der Rathaus-Grünen nach der App SafeNow als Rettungsanker. Diese App befähigt Menschen in bedrohlichen Situationen, übers Handy unauffällig gespeicherte Telefonnummern zu alarmieren und auch Hilfe vom ÖPNV-Personal zu bekommen.
Die Stadtratsfraktion der Linken fordert eine "Sensibilisierungskampagne". So wie der Kreisjugendring: "Wir brauchen jetzt eine Kampagne für sicheren ÖPNV.

Bei einem mulmigen Gefühl: Wegsetzen

"Bus und Bahn können das Fahrgastfernsehen nutzen – und Handlungsempfehlungen für mehr Sicherheit propagieren", fordert Theresa Baum. Die fünf wichtigsten Punkte: Bei einem mulmigen Gefühl: Wegsetzen, andere ansprechen, die belästigende Person siezen, Notrufknopf in der Bahn oder im Bus aktivieren, bei massiver Belästigung: Polizei anrufen.

Ein netter Versuch: Die Nachttaxi-Gutscheine, die das Rathaus Frauen ausgibt, werden von jungen Mädchen und Frauen praktisch nicht genutzt, weiß Mobilitätsexpertin Baum. Ihre Hauptkritik: In den letzten Jahren sei "Sicherheit" von Stadtverwaltung und Verkehrsbetrieben "immer abgetan worden", beklagt sie. Theresa Baums Anliegen: "Wir machen die Stimmen von Mädchen und Frauen hörbar und sichtbar."

Das trifft den Schmerzpunkt der Entscheider

Gerhard Wagner, Abteilungsleiter Junges Engagement beim Kreisjugendring, ergänzt: „Auf dem Oktoberfest gibt es inzwischen ein großes Bewusstsein für die Sicherheit der Frauen. Das Thema muss nun beim ÖPNV auf den Tisch. Das Wissen, wie reagiere ich? Wie kann ich eine Situation entschärfen?, das muss der ÖPNV vermitteln – auch wenn das den Schmerzpunkt der Entscheider trifft.“
Denn: Für junge Münchner ist der ÖPNV Hauptverkehrsmittel. Zum Thema Sicherheit hat der Münchner ÖPNV jedoch kein Plakat und keinen Film. Hintergrund: „Die große Besorgnis bei DB und MVG: Man verunsichere Fahrgäste, wenn man zur Sicherheit informiere“, sagt Theresa Baum, „Das kann nicht mehr gelten. Die Fahrgäste sind schon verunsichert!“

Auf AZ-Anfrage äußert sich am Mittwoch die Deutsche Bahn für die S-Bahn. „Anspannung und Respektlosigkeit in der Gesellschaft nehmen zu. Gemessen an der Zahl der Reisenden, ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, sehr gering.“

MVG will auf Kommunikation setzen

Die MVG geht für U-Bahn, Bus und Tram auf die Forderungen des Kreisjugendrings ein: „Um Fahrgästen Tipps für das richtige Verhalten zu geben, wollen wir eine entsprechende Kommunikation starten“, so ein MVG-Sprecher zur AZ.

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  • Dugi gerade eben / Bewertung:

    "Der Kreisjugendring unterstützt die Forderung der Rathaus-Grünen nach der App SafeNow als Rettungsanker."
    Was soll das für eine Forderungn sein? Die App gibt es bereits und jeder kann sie nutzen.
    Warum nutzen die 96%, die angegeben haben, dass sie sich nicht sicher fühlen, die App nicht?

    So nebenbei, hat man die Teilnehmer der Studie gefragt, was passieren müsste, dass sie sich wieder sicher fühlen? Die Antworten darauf wären interessant.
    Es sind schon verrückte Zeiten, wenn man sich mit einer App sicherer fühlt, als den Busfahrer anzusprechen.

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  • Chris_1860 vor 17 Minuten / Bewertung:

    Merz hat zu 100% Recht mit seiner Aussage. Links-Grün weiß das, kann es aber nicht zugeben. So schaut's aus.

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  • AufmerksamerBürger vor 3 Minuten / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Chris_1860

    Aber was macht Merz jetzt, er sollte wissen, dass er und seine Partei alleine keine Änderung herbeiführen können und auf einen Partner zur Umsetzung angewiesen ist.

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