Nur Dienst nach Vorschrift: Arzt lässt Buben abblitzen

Eine Zahnarzt-Praxis schickt Elias (9) und Quirin (4) nach Hause – obwohl die beiden eigentlich einen Termin zur Vorsorge hatten. Die Begründung: Puffertage.
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Quirin (4) und Elias (9) putzen sich die Zähne - damit bei der nächsten Kontrolle alles in Ordnung ist.
Gregor Feindt Quirin (4) und Elias (9) putzen sich die Zähne - damit bei der nächsten Kontrolle alles in Ordnung ist.

MÜNCHEN - Eine Zahnarzt-Praxis schickt Elias (9) und Quirin (4) nach Hause – obwohl die beiden eigentlich einen Termin zur Vorsorge hatten. Die Begründung: Puffertage.

Sie hatten brav ihre Zähne geputzt. Und standen pünktlich um zehn Uhr morgens beim Kinderzahnarzt auf der Matte. Doch die Praxis schickte Elias (9) und Quirin (4) gleich wieder nach Hause – obwohl die beiden einen Termin für eine Kontrolluntersuchung hatten. Die Begründung: Puffertage.

Bayerns Ärzte machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Das Budget für dieses Jahr ist bereits ausgeschöpft. Nach Rechnungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) fehlen etwa 40 Millionen Euro für zahnerhaltende Maßnahmen bei den gesetzlich Versicherten (AZ berichtete). Deswegen forderte die KZVB ihre Ärzte jetzt auf, die Behandlungen zu reduzieren. Keine Füllungen. Keine Wurzelbehandlungen.

Für Patienten der Techniker Krankenkasse, bei der auch die beiden Buben Elias und Quirin versichert sind, galten die so genannten Puffertage in dieser Woche. Es gibt aber auch Kassen, bei denen die Versicherten bis zum Jahresende in die Röhre schauen.

Die Praxis hätte die Kinder gar nicht abweisen dürfen

Trotzdem: Eigentlich hätten die Kinder in der Münchner Praxis gar nicht abgewiesen werden dürfen. „Die Vorsorge bei Kindern und Jugendlichen ist nicht budgetiert“, erklärt KZVB-Sprecher Tobias Horner. „Das war offensichtlich ein Missverständnis.“ Bei dem Zahnarzt habe man über die entsprechende Ausnahme-Bestimmung wohl nicht Bescheid gewusst. In der Praxis selbst ließ sich der Vorfall auf AZ-Anfrage nicht ganz klären.

Conny R., die Mutter der Buben, ist wütend. „Wir sind wirklich in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft angekommen“, sagt sie. „Ich sehe nicht ein, dass ich immer pünktlich die Versicherung bezahle – und nicht die Leistungen bekomme, die mir zustehen.“ Die Zahnarztpraxis hätte ihr nicht einmal abgesagt.

Sofort hängte Conny R. sich ans Telefon. Sie wollte wissen, was es mit den Puffertagen auf sich hat. Sie rief bei ihrer Krankenkasse an – und bei der KZVB. Letztere habe ihr einen unfassbaren Rat gegeben, erzählt sie: „Mir ist gesagt worden, ich könne ja mit den Kindern in ein anderes Bundesland zum Zahnarzt reisen.“

Schmerzbehandlungen werden trotz Sparkeule durchgeführt

Die Budgetierung war 1993 vom damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) eingeführt worden. „Aber der Topf wächst nur sehr langsam. Damit ist nicht mal die Inflationsrate abgedeckt“, klagt Horner von der KZVB. Deswegen die Spar-Keule: Ein Arzt, der seine (gesetzlich versicherten) Patienten an Puffertagen behandelt, muss davon ausgehen, für bestimmte Leistungen im Extremfall nur ein Drittel der eigentlichen Vergütung zu erhalten. Ausgenommen davon sind alle Schmerzbehandlungen, Kieferorthopädie und Zahnersatzbehandlungen. Und: Eigentlich auch die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder.

Elias und Quirin selbst waren freilich nicht traurig, dass ihr Termin geplatzt ist. Wer geht schon gerne zum Zahnarzt? Doch ihr „Puffer“ währt nicht mehr lange. In der nächsten Woche haben sie einen neuen Termin.

Julia Lenders

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