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Nürnberg macht es anders: So lange müssen Münchner auf ihren Wohngeld-Bescheid warten

Das Wohngeld soll Menschen helfen, die ihre Miete nicht zahlen können. Doch in München dauert es besonders lange, bis das Rathaus einen Antrag bearbeitet hat. Insgesamt warten derzeit über 18.000 Haushalte auf ihren Bescheid. Die Grünen fordern jetzt: Das Münchner Rathaus soll sich von Nürnberg eine Idee abschauen, damit es schneller geht.
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Die Mieten in München explodieren. Helfen sollte eine Reform des Wohngeldes. Doch in München dauert es lange, bis die Menschen Bescheid bekommen, ob sie berechtigt sind. Könnte KI helfen, die Sache zu beschleunigen?
Die Mieten in München explodieren. Helfen sollte eine Reform des Wohngeldes. Doch in München dauert es lange, bis die Menschen Bescheid bekommen, ob sie berechtigt sind. Könnte KI helfen, die Sache zu beschleunigen? © imago

München - Die Münchner Mieten sind für viele kaum zu bezahlen. Helfen wollte die Ampel-Regierung mit einer Reform des Wohngeldes. Laut Bauministerium eine Erfolgsgeschichte: Die Wohngeldhaushalte hätten sich verdreifacht. Im Schnitt habe sich die Höhe des Wohngeldes für die bisher beziehenden Haushalte verdoppelt.

Die Reform bedeutet jedoch für das Münchner Rathaus viel Aufwand – und für die Bürger lange Wartezeiten. Dringliche Fälle könne die Stadt zwar innerhalb von sechs Monaten bearbeiten. Bei komplexeren Fällen (zum Beispiel, wenn sich die Einkommensverhältnisse durch einen Jobwechsel oft ändern) sei es "leider" vorgekommen, dass die Bearbeitung bis zu zwei Jahre dauerte. Das teilt das Sozialreferat auf eine Anfrage der AZ hin mit.

44 Prozent mehr Anträge gingen bei der Stadt ein 

Durch die Reform sei die Zahl der Wohngeldanträge "überproportional angestiegen". 2023 seien 44 Prozent mehr Anträge als 2022 gestellt worden, schreibt die Pressestelle außerdem. Fast 26.000 Anträge seien zwischen September 2022 und Ende 2023 eingegangen. 2024 folgten nochmal über 19.100 Anträge.

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Momentan sind laut Sozialreferat rund 18.600 Anträge offen. Die Quote der positiven Bescheide liegt laut Sozialreferat momentan bei nicht ganz 50 Prozent. Rein rechnerisch könnte also 9.300 Haushalten in München Geld zustehen.

Grüne: "Das ist absolut nicht in Ordnung"

Die Grünen drängen nun darauf, dass die Bearbeitung schneller geht. Stadträtin Clara Nitsche sagt: "Wer in München Wohngeld beantragt, muss unverhältnismäßig lange warten. Das ist in einer teuren Stadt wie München absolut nicht in Ordnung. Denn die Menschen sind auf dieses Geld angewiesen."

Grünen-Stadträtin Clara Nitsche fordert: München muss sich ein Beispiel an Nürnberg nehmen.
Grünen-Stadträtin Clara Nitsche fordert: München muss sich ein Beispiel an Nürnberg nehmen. © Daniel von Loeper

Gleichzeitig würden die Mitarbeiter im Sozialreferat unter der hohen Arbeitsbelastung ächzen. Nitsche weiß: Nürnberg macht es anders. Sie beantragt diesen Freitag deshalb, dass sich das Münchner Rathaus ein Beispiel an der fränkischen Stadt nehmen sollte.

In Nürnberg hilft KI und ein Roboter

Schon 2023 hat Nürnberg einen Wohngeldroboter eingeführt. Dieser übernimmt Arbeiten, die sonst ein Sachbearbeiter übernehmen müsste. Er liest Daten aus, überträgt sie in die Software, legt eine E-Akte an. Im Durchschnitt sei von einer Zeitersparnis von zehn Prozent auszugehen, heißt es in einem Bericht des Nürnberger Sozialamtes.

Weil die Bearbeitungsdauer trotzdem auf einem "hohen Niveau" sei, erprobt Nürnberg weitere digitale Tools. Seit Anfang 2024 arbeitet das Sozialamt mit einem Start-up zusammen und erprobt, wie Künstliche Intelligenz bei der Bearbeitung der Anträge helfen kann. Die KI liest zum Beispiel Einkommensnachweise, Mietverträge und Rentenbescheide aus. So kann das Nürnberger Sozialamt schnell feststellen, welche Unterlagen noch fehlen. Außerdem gibt die KI Empfehlungen an die Sachbearbeiter ab, wie sie mit dem Antrag weiter verfahren sollen.

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Ein Testbetrieb lief erfolgreich. Die Fehlerquote der KI lag bei gerade mal bei rund 1,5 Prozent, die meisten Fehler konnten direkt bereinigt werden, heißt es in der Auswertung des Nürnberger Sozialamts. Es geht davon aus, dass künftig 95 Prozent aller eingehenden Anträge mit KI bearbeitet werden könnten. Effizienzsteigerung und Zeitersparnis seien die Folgen. Sogar eine bessere Qualität erhofft sich das Nürnberger Sozialamt. Denn mit der KI sei die Fehlerquote sogar geringer, als wenn Menschen die Anträge bearbeiten würden. Die Mitarbeiter bekämen wiederum mehr Freiräume – zum Beispiel, um die Bürger zu beraten. Ganz am Ende seiner Bilanz schreibt das Nürnberger Sozialamt: "Die Stadtverwaltung Nürnberg empfiehlt ausdrücklich, eine solche KI-Lösung bayernweit zu beschaffen und zur Entlastung der Kommunen zur Verfügung zu stellen."

KI für Wohngeld-Anträge: Eine "Win-Win-Situation"

Clara Nitsche von den Grünen will nicht darauf warten, bis der Freistaat eine solche Software für alle bayerischen Kommunen anbietet. Sie beantragt deshalb, dass das Sozialreferat gemeinsam mit dem IT-Referat möglichst schnell ein Konzept erarbeiten soll, wie die KI-Lösung aus Nürnberg in München eingesetzt werden könnte. "Digitalisierung und KI sorgen für eine echte Win-Win-Situation", sagt sie. "Schnelleres Wohngeld für die, die es brauchen und eine Erleichterung für die, die die Anträge bearbeiten."

Momentan kümmern sich im Münchner Sozialreferat 50 Vollzeit-Mitarbeiter um die Bearbeitung der Anträge. 16 weitere Stellen sind derzeit offen und sollen möglichst schnell besetzt werden. Im Zuge der Einführung der Reform habe das Rathaus die Bundesregierung vor den Folgen der langen Bearbeitungszeiten gewarnt und gebeten, Prüftiefe zu reduzieren, teilt das Sozialreferat mit. Ohne Erfolg. 

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7 Kommentare
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  • Claus am 21.03.2025 11:22 Uhr / Bewertung:

    Komisch, der Erlass von Gewerbesteuerbescheiden funktioniert reibungslos und pünktlich. Dauert bei mir nie länger als zwei Wochen.

    Vielleicht also einfach mal ein paar Mitarbeiter vom Gewerbesteueramt zum Sozialamt "abkommandieren"? Könnte man sicher, wenn man denn wollte...

  • tutnixzursache am 21.03.2025 09:29 Uhr / Bewertung:

    die Grünen finden die lange Bearbeitungszeit nicht in Ordnung? Sind sie nicht Teil der Stadtregierung? Wurden vielleicht falsche Prioritäten gesetzt? Vielleicht hätte man etwas mehr Geld in die Modernisierung und Digitalisierung der Stadtverwaltung statt in "Flanierzonen" und "Radlhighways" stecken sollen, da hätten mehr Bürger davon profitiert. Aber solange Faxgeräte das Nonplusultra an Technik darstellen.... weiterwursteln.

  • Der Münchner am 21.03.2025 08:32 Uhr / Bewertung:

    Sicherlich nicht alles Münchner!
    Wahrscheinlich eher die wenigeren!

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