„Notfalls streiken wir auch an Heiligabend“
Am Freitag wird mal wieder verhandelt. Es betrifft die S-Bahn. Hier spricht der Gewerkschafter im AZ-Interview über die Möglichkeiten einer Schlichtung, über Billigtöchter und mögliche Streiks zur Weihnachtszeit.
AZ: Herr Gebhardt, am Freitag wollen Transnet und GDBA mit den Bahnen die Möglichkeit einer Schlichtung ausloten. Was kommt raus?
JOHANN GEBHARDT: Wir warten darauf, dass die privaten Arbeitgeber uns ein neues Angebot unterbreiten. Daraus folgend wird man versuchen, eine Schlichtung einzuleiten. Sofern die Konditionen passen. Das jüngste Angebot der Privatbahnen sieht leider immer noch Gehälter von 20 Prozent unter dem Lohnniveau der Deutschen Bahn vor. Wir wollen über einen Branchentarifvertrag aber einheitliche Tarife auf DB-Niveau erreichen – für alle Beschäftigten im Schienenpersonennahverkehr.
Die Privaten sagen, ihr Angebot vom 8. Oktober sehe eine Angleichung ans DB-Niveau für die Basisgehälter vor, wenn auch nicht für die Zuschläge. Damit läge man bei 90 Prozent des DB-Niveaus.
Das ist nur bedingt richtig. Richtig ist, dass 90 Prozent der im Schienenpersonennahverkehr Beschäftigten jetzt schon annähernd das gleiche Niveau wie bei der DB haben. Aber zehn Prozent der Beschäftigten liegen noch bei unter 20 Prozent. Um die geht es.
Bahn-Chef Grube betont, dass er einen Branchentarifvertrag, wie Sie ihn fordern, für absolut notwendig hält. Sie aber werfen der DB vor, dass sie selbst Billigtöchter gegründet hat.
Genau hier liegt das Problem. Die Bahn hat bereits 14 Billigtöchter gegründet, mit denen sie selbst die Löhne drücken kann, wenn sie damit in die Ausschreibung geht. Wir sind nicht dagegen, dass neue Strecken ausgeschrieben werden. Aber es geht doch auch darum, zu welchen Konditionen ein neues Unternehmen die Mitarbeiter nach der Übernahme weiterbeschäftigt.
Bahnchef Grube hat auch gesagt: „Wir handeln nur aus Notwehr, weil wir sonst jede Ausschreibung verlieren würden. Ich verspreche, in dem Moment, in dem wir einen Branchentarifvertrag haben, gehen wir nicht mehr in solche GmbHs.“
Ich begrüße grundsätzlich, wenn Herr Grube die Bahntöchter nicht in die Ausschreibung führen würde. Das wäre eine sinnvolle Entscheidung und in unserem gemeinsamen Interesse. Aber noch haben wir uns nicht auf einen Branchentarifvertrag mit den Privatbahnen geeinigt. Mit der DB haben wir noch keinen Abschluss in der Einkommensrunde. Beide Forderungen sind miteinander verknüpft.
Klingt, als wäre keine schnelle Einigung in Sicht.
Wir sind ein friedfertiges Volk. Aber wenn wir das Gefühl haben, es wird nicht verhandelt, sondern nur taktiert, sind wir in der Lage, ab nächster Woche oder zu einem späteren Zeitpunkt mit Warnstreiks zu reagieren. Haben wir damit keinen Erfolg, rufen wir zur Urabstimmung über flächendeckende Streiks auf.
Die Münchner würden's Ihnen übel nehmen. Sie sind genervt von Streiks, und jetzt dazu noch bei der S-Bahn.
Ich kann das gut verstehen. Und ich kann mit jedem Reisenden mitfühlen. Wenn es zu Einschränkungen durch neue Warnstreiks kommt, werden wir das frühzeitig ankündigen. Dann müssen die Bahnen für Ersatz sorgen.
Flächendeckende Streiks zur Weihnachtszeit. Müssen wir uns darauf einstellen?
Da habe ich persönlich einen Widerwillen. Und auch die Bahn-Beschäftigten hätten darauf keine Lust, das können Sie sich denken. Aber wenn die Arbeitgeber es darauf ankommen lassen, streiken wir notfalls auch an Heiligabend.
Interview: Anne Hund
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- Deutsche Bahn AG