Niedriglöhne - zum Überleben zu wenig

Friseurin Denise Starzner hatte bis zu drei Jobs. Trotz 16-Stunden-Tag brauchte sie noch Hilfe – und zwar nicht nur vom Staat.
von  Anne Hund
Heute hat sie ihren eigenen kleinen Friseursalon. Doch für Meisterin Denise Starzner gab es auch schlechtere Zeiten, in denen sie finanzielle Unterstützung brauchte.
Heute hat sie ihren eigenen kleinen Friseursalon. Doch für Meisterin Denise Starzner gab es auch schlechtere Zeiten, in denen sie finanzielle Unterstützung brauchte. © Sigi Müller

Denise Starzner (32) hat es geschafft: Sie ist Meisterin, hat in Mittersendling ihren kleinen Friseurladen. Heute sagt die gebürtige Münchnerin: „Ich kann von meinem Job als Friseurin leben.“ Das war längst nicht immer so. Die 32-Jährige kennt das Leben, das für fast 15.000 Münchner Realität ist: Sie arbeiten in ein, zwei, vielleicht sogar drei Jobs – und trotzdem reicht es am Ende des Monats nicht zum Leben.

Denn die Mieten sind in München derart teuer, dass gerade Angestellte mit niedrigem Gehalt sie nicht mehr zahlen können. Deshalb beantragen sie Hartz IV, obwohl sie einen festen Job haben. Oder aber Wohngeld. So wie Friseurin Denise Starzner. Auch sie war eine „Aufstockerin“. Zum Leben muss der Staat aufstocken. An die Zeit denkt die Friseurin mit den leuchtend roten Haaren gar nicht gern zurück. Heute blickt sie morgens gerne in den Spiegel, sagt sie, „aber damals habe ich mich manchmal schon gefragt, wofür ich einen ganzen Tag lang im Salon stehe“.

Das Gehalt war mickrig. 5,50 Euro Stundenlohn bekam sie als Gesellin in der Probezeit, bei einem kleinen Friseur in Mittersendling. Sie wechselte zu einem benachbarten Salon, bekam dort etwa sieben Euro in der Stunde. Auch das ist zu wenig. Laut Tarif hätte sie mindestens 8,17 Euro verdienen müssen. Alle Münchner Friseure sind an den Tarif gebunden, sagt Doris Ortlieb, Geschäftsführerin beim Landesinnungsverband des Bayerischen Friseurhandwerks. Aber viele Friseure würden diesen Mindestlohn umgehen – „mangels Kontrollen“ der Behörden, sagt sie.

Nur bei der Schwarzarbeit werde das Hauptzollamt manchmal aktiv. Sie kontrollieren „in Stichproben“. „Und trotzdem drücken die Billigfriseure in München die Löhne“, weiß Denise Starzner aus Erfahrung. Mit Dumpingpreisen bis zu sechs Euro je Haarschnitt. „Da ist es normal, dass für Mitarbeiter wie mich nicht mehr viel übrig blieb.“ Auf ihrem Konto waren es am Ende des Monats weniger als 1.000 Euro.

Die junge Frau beantragte Wohngeld. Allein die Hälfte des Gehalts ging für die Miete drauf, „dabei hatte ich nur eine kleine Wohnung“. Dort, im Münchner Südwesten, ist sie aufgewachsen. Mit 17 begann sie ihre Ausbildung zur Friseurin. 393 Euro bekommt ein Münchner Friseur-Azubi im ersten Lehrjahr, 572 Euro im dritten. Nicht nur Vater Staat musste auch nach der Lehre manchmal helfen. „Mein Papa hat mich viele Jahre unterstützt“, erinnert sie sich. „Manchmal hat er mir einfach einen Einkauf bezahlt.“ Ohne ihn wäre es nicht gegangen: „Es hat einfach nicht gereicht.“

Dann erzählt sie von ihren Nebenjobs: An der Bar und als DJ-Jane in der Kultfabrik – bis vor einem Jahr, als sie noch Angestellte im Friseurladen war. „Ohne Nebenjobs hätte ich Kino oder Ausgehen vergessen können.“ Wie sie das alles unter einen Hut gebracht hat? „Ein 16-Stunden-Tag war für mich normal.“ Beschweren will sich heute nicht. Sie hat es weit gebracht. „Der Papa hat auch meinen Meister finanziert.“

Rund 6.000 Euro hat sie das Papier gekostet, der ihr erlaubt, einen Betrieb zu leiten. Heute hängt der verschnörkelte Meisterbrief an der Wand in ihrem Friseurladen. „Den hat ein Billig-Friseur nicht“, sagt sie stolz. „Als Selbstständige kann ich von meinem Beruf gut leben.“ Und auch ihren drei Mitarbeiter sollen es besser haben als sie früher, sagt sie und lacht. „Mit oder ohne festen Mindestlohn.“

 

 

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