"Nicht totsaniert": Traditions-Bräustüberl im Münchner Südosten bekommt neuen Glanz

Seit fast 90 Jahren ist das Wirtshaus ein fester Bestandteil der Münchner Bierkultur. Aktuell stehen die Stühle auf den Tischen – doch nicht mehr lange: Ein neuer Pächter soll übernehmen, das urige Flair erhalten bleiben.
Sophia Willibald
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Brauer Werner Schuegraf (62) und Lebensmitteltechnologin Andrea Stemmer (57) von der Brauerei Hopfenhäcker: Das Bräustüberl neben der Brauerei bekommt einen neuen Pächter. Die beiden sind zuversichtlich, dass die Zusammenarbeit gut gelingt.
Brauer Werner Schuegraf (62) und Lebensmitteltechnologin Andrea Stemmer (57) von der Brauerei Hopfenhäcker: Das Bräustüberl neben der Brauerei bekommt einen neuen Pächter. Die beiden sind zuversichtlich, dass die Zusammenarbeit gut gelingt. © Sophia Willibald

Werner Schuegraf (62) hetzt die Kellertreppe der alten Brauerei hinauf. Der Zeitdruck ist ihm anzusehen – am nächsten Tag steht ein externer Ausschank an und bis dahin ist in der Forschungsbrauerei in Perlach noch einiges zu tun. Trotzdem nehmen er und seine Kollegin und Partnerin Andrea Stemmer (57) sich Zeit, die AZ nach nebenan zu führen, ins Bräustüberl. Das ist gerade dicht.

In der gemütlichen Stube, wo sonst reges Treiben herrscht, Kellner Bier und bayerische Schmankerl servieren und Alt und Jung zusammenkommen, ist das Licht aus. Die hellen Holzstühle stehen umgedreht auf den Tischen, die Zapfanlage hinter dem Tresen bleibt still.

Der Grund dafür: Der Pachtvertrag zwischen dem Eigentümer Peter Rauscher und der Familie Achhammer endete planmäßig nach zehn Jahren. Nun wird neu verpachtet und gleichzeitig die Gelegenheit genutzt, das Bräustüberl zu renovieren. Lange wird es nicht dauern. Schon im Februar – spätestens zum Starkbieranstich – sollen die Räume in neuem Glanz erstrahlen. An ihrem alten Charme sollen sie aber nichts verlieren.

1930 gründete Gottfried Jakob die Forschungsbrauerei – wenige Jahre danach folgte das passende Stüberl

Das Stüberl blickt auf eine lange Geschichte zurück – die Brauerei sogar auf eine noch längere. 1930 gründete Gottfried Jakob die Forschungsbrauerei München-Perlach mit dem Ziel, neue Biersorten und Brauverfahren zu erforschen. Sein Entdeckergeist zahlte sich aus: Über 50 Patente gehen auf seine Arbeit zurück.

Doch Gottfried Jakob dachte weiter – aus einer tiefen Überzeugung heraus entstand eine neue Idee: "Das fertige Produkt muss vom Konsumenten, das heißt vom Biertrinker beurteilt werden; sein Urteil ist ganz allein maßgebend. Wir brauen nur, um allen Mitmenschen im Bier ein Labsal zur körperlichen und seelischen Kräftigung zu schaffen", sagte er 1938.

Die Forschungsbrauerei mit Stüberl im Jahr 1939. Das Ursprüngliche ist auch heute noch klar erkennbar – von außen und von innen.
Die Forschungsbrauerei mit Stüberl im Jahr 1939. Das Ursprüngliche ist auch heute noch klar erkennbar – von außen und von innen. © privat

Zwei Jahre zuvor hatte er deshalb ein Bräustüberl neben seiner Brauerei eröffnet – als sogenannte "Prüfstelle" für seine Biere. Die Räume ließ er mit viel Holz ausstatten, geschmückt mit Fresken zu Märchenmotiven wie "Das Schlaraffenland" oder "Tischlein deck dich" vom Kunstmaler W. Erlacher. Die bunten Holzfresken hängen auch heute noch – 90 Jahre später. Und sie sollen freilich bleiben.

2021 zog die Hopfenhäcker-Brauerei ein

Nachdem der Betrieb zunächst an Sohn Heinrich und später an Enkel Stefan Jakob überging, dann unter einem neuen Besitzer neu eröffnet wurde, stand die Forschungsbrauerei ab 2018 leer. Das Bräustüberl nebenan lief derweil unter dem Pachtvertrag mit Familie Achhammer weiter. Das gesamte Biersortiment wurde angeliefert.

2021 kehrte das Leben in die historischen Räume der Brauanlage zurück: Eine neue Brauerei zog ein – mit einer alten Idee. Bier und Braukunst neu zu entdecken und zu denken, ganz im Sinne des Gründers. Es ist die 2014 gegründete Kreativbrauerei Hopfenhäcker von Werner Schuegraf, einem gelernten und studierten Brauer. Gemeinsam mit Andrea Stemmer, beruflich Lebensmitteltechnologin, führt er die Brauerei. Die beiden wünschen sich weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit dem benachbarten Bräustüberl – und sind bereits stark in die aktuelle Übergabe und Renovierung involviert.

Der Eigentümer des Stüberls, Peter Rauscher, nutzt die Gelegenheit des Pächterwechsels und lässt renovieren – aber bloß nicht zu viel.
Der Eigentümer des Stüberls, Peter Rauscher, nutzt die Gelegenheit des Pächterwechsels und lässt renovieren – aber bloß nicht zu viel. © Sophia Willibald

Werner Schuegraf führt mit Andrea Stemmer durch die verwinkelten Räume des traditionsreichen Stüberls. In der Küche treffen sie auf einen Handwerker – einer von vielen. "Am Freitag hat der Dachdecker seinen Auftrag bekommen. Mit dem Elektriker habe ich gerade länger gesprochen, der macht jetzt ein Angebot. Und zum Schluss kommt der Schreiner", erzählt Schuegraf.

Werner Schuegraf: "Es darf nicht passieren, dass sich am ursprünglichen Ambiente des Bräustüberls etwas ändert"

Die Handwerker geben sich derzeit die Klinke in die Hand. Doch eines steht für das Team um Eigentümer Peter Rauscher fest, erzählt Brauer Schuegraf: "Hier werden Schönheitsreparaturen gemacht. Es darf aber definitiv nicht passieren, dass man am ursprünglichen Ambiente des Bräustüberls etwas verändert."

Dass sich jeder Raum des Stüberls ein wenig anders anfühlt, liegt an den vielen Umbauten und Erweiterungen, die das Gebäude im Laufe der Jahrzehnte erlebt hat. Genau das verleihe ihm seinen einzigartigen Charakter, sagt Andrea Stemmer. "Die Räume wurden eben nicht totsaniert, wie das heute bei vielem leider oft der Fall ist."

Die urigen Holzfresken des Kunstmalers W. Erlacher zeigen Märchenmotive wie "Das Schlaraffenland" und "Tischlein deck dich".
Die urigen Holzfresken des Kunstmalers W. Erlacher zeigen Märchenmotive wie "Das Schlaraffenland" und "Tischlein deck dich". © Sophia Willibald

Die urige Atmosphäre zieht die unterschiedlichsten Gäste an. "Es ist ein schöner Treffpunkt – man kann die Gäste eigentlich gar nicht kategorisieren. Es ist wie im Bierzelt: Jung neben Alt", sagt die Lebensmitteltechnologin. Werner Schuegraf fügt hinzu: "Da sind die Stammgäste mit ihrem Krug, die seit 50 Jahren herkommen, aber genauso auch der Burschenverein, der regelmäßig zu Events kommt. Und natürlich die Bier-Nerds."

Aktuell gibt es zwei Interessenten für das Bräustüberl

Die "Bier-Nerds" wollen die beiden auch künftig mit ihren Bieren versorgen, die sie nebenan auch in Flaschen verkaufen. Bisher wurden im Stüberl sieben bis acht aus ihrem Sortiment frisch gezapft, dazu gab es einige Flaschenbiere. Die kreativen Sorten tragen ebenso originelle Namen wie "Der Rote", "Hanfblüte" oder "King Leo". Die Hopfenhäcker hoffen, bald noch mehr Biere frisch gezapft im Stüberl anbieten zu können. Bisher lag der Preis für die Halbe zwischen 5,30 und 5,90 Euro.

Aktuell gibt es zwei Interessenten für das Bräustüberl. Andrea Stemmer sagt: "Wir freuen uns, wir finden beide Kandidaten sehr gut." Wer es genau wird, soll sich in den nächsten Tagen entscheiden. Eines steht aber schon jetzt fest: Das Bräustüberl der Forschungsbrauerei bleibt erst einmal so erhalten, wie es ist – bekommt aber einen neuen Schliff.

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  • AufmerksamerBürger vor 31 Minuten / Bewertung:

    Eine sehr schöne Nachricht, die Forschungsbrauerei ist eine Institution und nicht wegzudenken von der Münchner Tradition!

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