"Nicht mehr totschweigen": Warum Prostitution in Altenheimen in München legal werden soll

Die Stadtratsfraktion aus Linke und Die Partei will die Sperrbezirksverordnung in München reformieren – und etwa Alten- und Behinderten-Einrichtungen aus der Verbotszone nehmen. Sexarbeiterinnen haben dort bislang legal keinen Zugang.
von  Irene Kleber
In München dürfen Sexarbeiterinnen nur außerhalb des Sperrbezirks arbeiten.
In München dürfen Sexarbeiterinnen nur außerhalb des Sperrbezirks arbeiten. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

München - Wo Prostitution erlaubt ist, ist streng geregelt in München – nämlich nur auf rund zehn Prozent des Stadtgebiets, wie ziemlich weit draußen in den Gewerbegebieten oder an sogenannten Anbahnungsstraßen wie in Teilen der Ingolstädter-, Landsberger-, Frieden- oder Hansastraße.

Alles andere ist der berühmte schon von der Spider-Murphy-Gang besungene Sperrbezirk, der 1972 zu den Olympischen Spielen in München beschlossen (und danach immer wieder vergrößert) worden ist. Wer in der Verbotszone bei Liebesdiensten erwischt wird, ist illegal unterwegs. Nun sind gerade ältere oder behinderte Menschen oft nicht mehr mobil genug, um sich aus dem Sperrbezirk hinaus zu begeben. Liebesdienste in die Münchner Häuser der Alten- oder Behindertenhilfe zu bestellen, ist aber nicht erlaubt, denn die Einrichtungen liegen allesamt in den Verbotszonen.

Bis jetzt ist Prostitution in München nur außerhalb des Sperrbezirks erlaubt. Kommt eine Sexarbeiterin in ein Pflegeheim, ist das illegal.
Bis jetzt ist Prostitution in München nur außerhalb des Sperrbezirks erlaubt. Kommt eine Sexarbeiterin in ein Pflegeheim, ist das illegal. © picture alliance/dpa

Kontroverse um Sperrbezirksverordnung in München: Reformvorschläge der Linkspartei

Nach einer Anhörung im Landtag 2022 und einem Stadtrats-Hearing vor einigen Wochen unternimmt die Fraktion von Linken und Die Partei jetzt einen neuen Vorstoß, den riesigen Sperrbezirk zu schrumpfen. Stadträtin Marie Burneleit (Die Partei) fordert in einem Antrag, dass das Kreisverwaltungsreferat Reformvorschläge für einzelne Zonen oder Gebiete macht. Es geht ihr dabei einerseits darum, dass in München die Einwohnerzahl wächst, immer neue Wohngebiete dazukommen – aber die Zonen, in denen Sexarbeit erlaubt ist, nicht größer werden. "Dieses Ungleichgewicht", meint sie, "erschwert die legale Ausübung und drängt Sexarbeit in die Illegalität." Es mache außerdem Kontrollen – "auch zum Schutz der Prostituierten – sehr schwer".

Ungerecht sei die Sperrgebietsverordnung aber vor allem gegenüber hilfe- und pflegebedürftigen Menschen. "Ihnen wird so das Recht auf Respektierung ihrer Lebensweise und Sexualität genommen. Alle Menschen haben Recht auf Intimität und Nähe." Ein Ansatz wäre aus ihrer Sicht, die einzelnen Einrichtungen aus der Sperrbezirksverordnung herauszunehmen. "Dann könnte Sexualassistenz, Sexualbegleitung oder klassische Sexarbeit für die Bewohnerinnen und Bewohner ohne Angst vor Bestrafung möglich sein."

Marie Burneleit (Die Partei) will den Sperrbezirk schrumpfen.
Marie Burneleit (Die Partei) will den Sperrbezirk schrumpfen. © Sigi Müller

Sexarbeit in München: Kein Zugang zu Altenheimen und Behinderteneinrichtungen

Schützenhilfe bekommt Marie Burneleit von Münchens Behindertenbeauftragtem Oswald Utz: "Das ist eine hervorragende Idee", sagt er auf AZ-Nachfrage. "Es kann ja nicht angehen, dass man mit dem Einzug in eine Einrichtung seine Sexualität abgeben muss." Betroffene, Angehörige und auch Heim-Mitarbeiter kämen regelmäßig mit dem Tabuthema in Beratungsstunden. "Alle wissen, dass es in den Einrichtungen stattfindet", sagt Utz, "es wäre schön, wenn wir das nicht mehr totschweigen müssten."

Auch Renate Binder, die neue Chefin der städtischen Münchenstift-Alten- und Pflegeheime, plädiert dafür, dass sexuelle Dienstleistungen in den Häusern möglich werden. "Uns ist aber auch wichtig", sagt sie, "dass alle Bewohnerinnen und Bewohner sich sicher fühlen. Das bedeutet, dass beispielsweise nur angemeldete Sexarbeiterinnen Zutritt in unsere Häuser bekommen würden."

Für die Ausgestaltung der Verordnung ist die Regierung von Oberbayern zuständig – die Stadt kann aber eine Empfehlung abgeben. "Ich hoffe, dass wir als Stadtrat eine gemeinsame Haltung finden, damit das Thema vorankommt", sagt Marie Burneleit.

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