Neues Lager für "Help Ukraine": "Die Leute dürfen sich nicht an den Krieg gewöhnen!"

München - Seit Krieg in der Ukraine herrscht, hat Anna Rai in den meisten Nächten nicht mehr als drei Stunden geschlafen und an den meisten Tagen so wenig gegessen, dass sie inzwischen fünf Kilo abgenommen hat. In diesen drei Wochen sei aus ihr - einer Frau, die davon träumte, Werbe-Kampagnen für große Automarken zu entwerfen - eine Aktivistin geworden.
Keine Zeit zum Trauern
So erzählt es Anna Rai, 32 Jahre alt. Sie wuchs selbst in der Ukraine, in der Nähe von Tschernobyl, auf. Ihre Mutter lebt immer noch dort. Zeit, zu trauern, zu begreifen, dass ihre Heimat gerade zerstört wird und sich ihre Familie in Lebensgefahr befindet, hat Anna Rai nicht.
Die Hilfskampagne "Help Ukraine"
Denn als Russland angriff, startete sie gemeinsam mit anderen Ukrainern und Russen die Hilfskampagne "Help Ukraine". Inzwischen helfen Hunderte Personen: Menschen, die in den Sozialen Netzwerken informieren. Dolmetscher, Fahrer, Leute, die spenden und solche, die die Spenden sortieren.
Alles begann in ihrer Wohnung
Das Ziel war von Anfang an, die Ukrainer vor Ort so schnell wie möglich zu unterstützen und so viele Menschen wie möglich zu retten. Zuerst sammelte Rai Medikamente, Hygiene-Artikel und Lebensmittel in ihrer Wohnung. Doch schnell sei der Hausflur so voll gewesen, dass die Nachbarn nicht mehr zu ihren Wohnungstüren kamen, erzählt sie.
Übergangsweise durfte die Initiative ein Lager an der Einsteinstraße verwenden. Doch weil das Haus abgerissen wird, mussten sie einen Ersatz finden. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) half bei der Suche.
300 Quadratmeter für die Initiative
Mit Erfolg: In die Büroräume des Software-Konzerns SAP zog gestern das Lager ein. Die Mitarbeiter nutzen das etwa 300 Quadratmeter große Büro an der Nymphenburger Straße 68 momentan ohnehin kaum. Seit Corona arbeiten die meisten von Zuhause aus.
Hier können jetzt Spenden abgegeben werden
Ab jetzt können die Münchner hier dienstags bis freitags von 16 bis 20 Uhr und am Wochenende von 10 bis 20 Uhr Spenden abgeben. Am dringendsten würden Medikamente gebraucht, sagt Anna Rai. Eine Liste, was genau benötigt wird, steht auf help-ukraine-de.de.
250 Tonnen Hilfsgüter wurden bereits transportiert
In dem Lager sortieren die Helfer zuerst die Spenden. Dann bringen Lastwagen, die ursprünglich Waren von Polen nach Deutschland lieferten und danach leer zurückfahren würden, die Hilfsgüter in die Ukraine. 250 Tonnen seien so bereits im Kriegsgebiet angekommen.
Die erste Welle der Hilfsbereitschaft ebbt ab
Ihre Initiative konzentriere sich bewusst auf Menschen, die in der Ukraine leben, sagt Anna Rai. "Denn die, die hier sind, sind in Sicherheit." Jetzt gehe es um die, die "nicht so einfach in einen Laden gehen können, um sich etwas zu kaufen - weil es dort keine Läden mehr gibt."
Bis die Waren vor Ort ankommen, vergehe manchmal eine Woche, sagt Anna Rai. Doch schwieriger als der Transport sei etwas anderes: "Das Gefühl, dass nach der ersten Welle der großen Hilfsbereitschaft, sich die Menschen an den Krieg gewöhnen."