Neid, Hass und Streit ums Geld

Neid, Hass und Streit ums Geld: Der mutmaßliche Kindermörder war "verschuldet und sozial bedürftig" - und wollte Geld von der Familie.
von  job, bb

Der mutmaßliche Kindermörder war "verschuldet und sozial bedürftig".

Peißenberg/Krailling - Wie kann ein Familienvater zwei Kinder umbringen? Mädchen, die er groß werden sah? Geschwister, die mit seinen eigenen Kindern gespielt haben? Kinder, die allein zu Hause waren und arglos schliefen.

Thomas S. sagt selbst bislang nichts über mögliche Beweggründe. Auch die Mordkommission will sich noch nicht zum Motiv äußern. „Wir sind mit unseren Ermittlungen noch lange nicht fertig“, sagt Soko-Chef Markus Kraus.

Ein mögliches Motiv sind finanzielle Probleme, die die Familie seit Jahren belasteten und zu vielen Streitereien führte. Thomas S. wollte, dass seine Schwägerin eine Wohnung, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester geerbt hatte, verkauft. Jede Schwester hätte durch den Verkauf rund 30.000 Euro bekommen.

Doch Anette S. wollte nicht verkaufen. Daraus entwickelten sich wohl Hass und Neid – auf Anette S., die mit ihren Töchtern Chiara und Sharon so glücklich wirkte und ihr Leben nach der Trennung vom Vater ihrer Kinder gut in den Griff bekommen hatte.

Bekannte bescheinigen dem Postzusteller Thomas S. eine gewisse Geltungssucht. „Er wollte immer mehr sein, als er war“, sagte ein Freund von Anette S.
Dafür spricht das große Haus, das Thomas S. für seine Familie in Peißenberg gebaut hat. Es sollte eine Doppelgarage und mehrere Balkone und Terrassen bekommen.
Heute, fast ein Jahr nach dem Einzug, haben noch nicht einmal die Treppen im Haus ein Geländer. „Für jemanden, der kein Geld hat, ist es einfach eine Nummer zu groß“, sagt der Freund.
Johann S., der immer wieder beim Hausbau geholfen hat, sagt: „Er hat sich völlig übernommen.“

Zwar hatte seine Frau Ursula nach dem Tod ihres Vaters – genau wie Chiara und Sharons Mutter – Geld geerbt. Doch das Erbe reichte offenbar nicht aus. Dazu kamen schwere Krankheiten, die die Familie S. heimsuchten. Sohn Peter war leberkrank. Als Neunjähriger brauchte er eine Lebertransplantation. Ursula S. erkrankte an Brustkrebs, auch sie musste immer wieder ins Krankenhaus und ihre vier Kinder allein lassen.

Überall drückten Sorgen. Bei der Finanzierung soll Thomas S. auch noch betrogen worden sein. Da der Neubau in Peißenberg mangels Geld nicht fertig wurde, musste die sechsköpfige Familie immer wieder umziehen. Der Vater eines Schulfreundes vom kranken Peter kümmerte sich um eine Wohnung in einem Bauhof in Wielenbach.
Für geplante drei Monate zog die Familie auf einen Bauernhof in die Berghofsiedlung. Doch aus den drei Monaten wurde ein Jahr – dann kündigte die Bäuerin der Familie. Wieder standen Ursula und Thomas S. mit ihren vier Kindern auf der Straße, am Neubau war noch nicht einmal das Dach gedeckt.

Im Lauf der Jahre fühlte sich Thomas S. offenbar zunehmend benachteiligt und wohl auch gescheitert. Obwohl der Familie auch sehr geholfen wurde. Zwei seiner Söhne gehen auf die private Montessorischule in Peißenberg, die Eltern der Mitschüler initiierten eine große Hilfsaktion für Familie S. Der Chef eines Bekleidungsgeschäftes schenkte der Familie neue Kleidung, Männer der Freiwilligen Feuerwehr Peißenberg deckten das Dach des Hauses, ein Bodenleger verlegte Fliesen, viele halfen - und ganz umsonst. Die Gemeinde richtete ein Spendenkonto ein.
Bürgermeisterin Manuela Vanni: „Die Familie war verschuldet und sozial bedürftig.“ Thomas S. kam finanziell auf keinen grünen Zweig.
Freunde von Anette S. berichten, dass Thomas S. seine Schwägerin immer wieder bedrängte, eine kleine Wohnung in der Muggentaler Straße in Krailling, die ebenfalls aus dem Erbe des Vaters stammte, zu verkaufen. Der Verkauf hätte rund 60.000 Euro gebracht, jeweils 30000 Euro für jede Schwester.

Doch Anette S. lehnte den Verkauf ab. Die Wohnung sollte besser vermietet bleiben. Immer wieder kam es deswegen zum Streit. Das Verhältnis der Schwestern untereinander beschreiben Freunde als nicht sehr eng.
Als am Freitag Familie und Freunde von Chiara und Sharon Abschied nahmen, war Thomas S. nicht unter den Trauergästen. Angeblich auch nicht Ursula S., ihre Tante.

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