Nazi-Sprache als freie Meinungsäußerung? Dieses Urteil schockiert die Israelitische Kultusgemeinde

Ein Polizist, der mit Nazi-Sprache in Chats auffiel, darf weiter im Beamtenverhältnis arbeiten. Die IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch ist enttäuscht.
Hüseyin Ince
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Holocaust-Überlebende und langjährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Knobloch.
Holocaust-Überlebende und langjährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Knobloch. © Michael Kappeler (dpa)

Die langjährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) kann nicht nachvollziehen, warum Michael R., ihr Ex-Personenschützer von der Polizei, nicht vom Dienst entfernt werden durfte. Denn das hatte das Münchner Polizeipräsidium eigentlich vor. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München aus dem Februar verhinderte das jedoch.

Das Urteil wurde erst zum 30. Juni bekannt. Das juristische Portal "Beck Aktuell" hatte es veröffentlicht. Zuvor wusste keiner so recht, was aus dem früheren Personenschützer von Charlotte Knobloch geworden war, der ihr vor einigen Jahren zugeteilt war. Denn ausgerechnet Michael R., der die Präsidentin des IKG schützte, war durch extreme, menschenverachtende Nazisprache in privaten Chats aufgefallen.

"Wie kann so eine Gesinnung als Unterhaltung abgetan werden?" 

Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass es sich um private Unterhaltungen von Michael R. handelte und hier das hohe Gut der Meinungsäußerung gelte (AZ berichtete). Das Argument klingt nicht plausibel für IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch: "Wie sollen Menschen, die auf den Schutz von Sicherheitskräften angewiesen sind, diesen vertrauen, wenn eine solche Gesinnung als Unterhaltung abgetan wird", sagte sie der AZ.

Knobloch sieht durch die Gesinnung von R. nicht nur jüdische Deutsche bedroht. Auf die Frage, ob sie sich vom VGH ein anderes Urteil erhofft hätte, antwortet sie: "Ja. Ich hätte mir ein Bewusstsein dafür gewünscht, dass Judenhass nicht nur jüdische Menschen bedroht, sondern die Demokratie und mit ihr den Rechtsstaat – egal wo er geäußert wird."

"Sieg Heil" oder "Heil Hitler" schrieb Michael R. regelmäßig  

Die Sätze, die R. in privaten Chatnachrichten schrieb, waren explizit und deuten auf eine rechtsradikale Gesinnung. Er wünsche sich, seine Schutzperson (Charlotte Knobloch) würde vergast oder in ein Konzentrationslager verbracht, stand da unter anderem. Typische nationalsozialistische Abkürzungen wie "SH" (Sieg Heil) oder "HH" (Heil Hitler) postete er wohl regelmäßig.

R. darf also laut dem Urteil des VGH im Polizeidienst bleiben, wird aber degradiert. Die Polizei München sagte auf Anfrage: Michael R. arbeite seither ohne Uniform ausschließlich im Innendienst. "Er steht unter Beobachtung", sagte der Pressechef der Münchner Polizei, Thomas Schelshorn. 

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